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Keine Kündigung wegen Belastung des Arbeitgebers im Ermittlungsverfahren
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat festgestellt, dass Aussagen eines Arbeitnehmers im Ermittlungsverfahren gegen seinen Arbeitgeber diesen nicht ohne weiteres zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen.

1. Im Ausgangsfall ging es um einen seit fast 30 Jahren bei derselben Firma beschäftigten Mitarbeiter (Beschwerdeführer; Bf). Die Staatsanwaltschaft hatte ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Auftragsabwicklung zum Nachteil der Öffentlichen Hand gegen seinen Arbeitgeber eingeleitet, in dessen Verlauf es auch zu diversen Gesprächen mit dem Bf kam. Dabei übergab der Bf unter anderem einen Ordner mit von ihm gesammelten Unterlagen. Das Ermittlungsverfahren wurde nach gut anderthalb Jahren eingestellt. Nachdem der Arbeitgeber davon erfahren hatte, dass der Bf Unterlagen an die Staatsanwaltschaft übergeben hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Das Landesarbeitsgericht Hamm hielt die Kündigung für gerechtfertigt, weil der Bf freiwillig, von sich aus Unterlagen der Staatsanwaltschaft zur Begründung des Verdachtes gegen den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt habe. Er sei freiwillig mehrmals zur Staatsanwaltschaft gekommen, um durch seine Erklärungen das Ermittlungsverfahren gegen den Arbeitgeber voranzutreiben. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beweise die Haltlosigkeit seiner Erklärungen.

2. Die 2. Kammer des Ersten Senats hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Das Landesarbeitsgericht hätte beachten müssen, dass der Bf mit seinen Aussagen bei der Staatsanwaltschaft und der Übergabe von Unterlagen von der Rechtsordnung aufgestellte Pflichten erfüllt hat. Gerade die Zeugenpflicht ist eine allgemeine Staatsbürgerpflicht. Mit diesen Pflichten im Rechtsstaat ist es nicht vereinbar, wenn derjenige, der sie erfüllt, dadurch zivilrechtliche Nachteile erleidet. Selbst wenn - wofür nach der Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht nichts spricht - der Bf freiwillig zur Staatsanwaltschaft gegangen sein sollte und dort aus eigenem Antrieb Unterlagen übergeben hätte, hätte das Landesarbeitsgericht diesem verfassungsrechtlichen Aspekt Beachtung schenken müssen. Auch die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren kann - soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht werden - im Regelfall aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen, daraus einen Grund für die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abzuleiten. Eine zivilrechtliche Entscheidung, die dieses verkennt oder missachtet, verletzt den betroffenen Bürger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip.

Beschluss vom 2. Juli 2001 - Az. 1 BvR 2049/00 -

Karlsruhe, den 17. Juli 2001

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