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Zeitzuschläge für Arbeit an Vorfesttagen

Leitsätze

Ein Angestellter des öffentlichen Dienstes, der an Heiligabend oder an Silvester nach 12.00 Uhr zur Arbeitsleistung herangezogen wird, hat keinen Anspruch auf Zeitzuschläge nach § 35 Abs 1 Satz 2 Buchst d BAT, wenn ihm für die an den Vorfesttagen geleistete Arbeit später entsprechende bezahlte Freizeit gewährt wird.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. August 2000 - 5 Sa 1662/99 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für Arbeit nach 12:00 Uhr an den Tagen vor dem ersten Weihnachtsfeiertag 1997 (Heiligabend) und dem Neujahrstag 1998 (Silvester) Zeitzuschläge nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT zustehen.
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Die Klägerin ist seit dem 1. September 1985 als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet auf Grund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der BAT Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
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"§ 16 Arbeitszeit an Samstagen und Vorfesttagen
...
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(2) Soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen, wird an dem Tage vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr jeweils ganztägig sowie an dem Tage vor Ostersonntag und vor Pfingstsonntag jeweils ab 12 Uhr Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt. Dem Angestellten, dem diese Arbeitsbefreiung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht erteilt werden kann, wird an einem anderen Tage entsprechende Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt.
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Protokollnotiz zu Absatz 2:
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Die nach Satz 1 zustehende Arbeitsbefreiung an dem Tage vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr ist für Angestellte, die dienstplanmäßig an allen Tagen der Woche oder im Wechselschicht- oder Schichtdienst arbeiten und deren Dienstplan an einem oder an beiden dieser Tage für die Zeit bis 12 Uhr keine Arbeit vorsieht, im Umfang von jeweils einem Zehntel der für den Angestellten geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zu gewähren, es sei denn, diese Tage fallen auf einen Samstag oder Sonntag, oder bei Angestellten, deren Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche verteilt ist, auf einen für den Angestellten regelmäßig arbeitsfreien Tag.
...
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§ 35 Zeitzuschläge, Überstundenvergütung
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(1) Der Angestellte erhält neben seiner Vergütung (§ 26) Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde
...
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c) für Arbeit an
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aa) Wochenfeiertagen sowie an Ostersonntag und am Pfingstsonntag
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- ohne Freizeitausgleich 135 v.H.,
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- bei Freizeitausgleich 35 v.H.,
...
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d) soweit nach § 16 Abs. 2 kein Freizeitausgleich erteilt wird, für Arbeit nach 12 Uhr an dem Tage vor dem
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aa) Ostersonntag, Pfingstsonntag 25 v.H.,
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bb) ersten Weihnachtsfeiertag,
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Neujahrstag 100 v.H.,
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der Stundenvergütung,
..."
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Die Klägerin wurde am 24. Dezember 1997 in der Zeit von 19:00 Uhr bis 24:00 Uhr und am 31. Dezember 1997 in der Zeit von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr zur Arbeitsleistung herangezogen. Für die geleisteten Arbeitsstunden erhielt sie am 9. Januar 1998 drei Stunden 15 Minuten, am 1. April 1998 fünf Stunden und am 13. Mai 1998 zwei Stunden 45 Minuten bezahlte Freizeit. Mit Schreiben vom 4. März 1998 verlangte die Klägerin vergeblich Zeitzuschläge in Höhe von 100 vH der Stundenvergütung pro Arbeitsstunde für die an den beiden Vorfesttagen geleistete Arbeit.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT bestehe ein Anspruch auf Zeitzuschläge auch dann, wenn der Arbeitgeber für die an den Vorfesttagen nach 12:00 Uhr geleistete Arbeit später Freizeitausgleich gewähre. Nach der tariflichen Regelung in § 16 Abs. 2 BAT sei für Arbeit an Vorfesttagen zwingend Freizeitausgleich vorgeschrieben. Deshalb sei unter "Freizeitausgleich" gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT "Arbeitsbefreiung" iSd. §16 Abs. 2 BAT zu verstehen. Andernfalls wäre der Zeitzuschlag für einen Fall vorgesehen, den es tariflich nicht geben dürfe, nämlich für Arbeit an Vorfesttagen nach 12:00 Uhr ohne späteren Freizeitausgleich. Diese Auslegung sei auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der tariflichen Regelung geboten. Der Zeitzuschlag sei ein Ausgleich dafür, daß zu einer Zeit gearbeitet werden müsse, die für die meisten anderen Arbeitnehmer arbeitsfrei sei und in der sie ein Ereignis feiern könnten, das gesellschaftlich einen hohen Rang einnehme. Im übrigen habe die Beklagte Freizeitausgleich für die an den Vorfesttagen geleistete Arbeit nicht erteilt. Der Freizeitausgleich müsse zeitnah zu der Arbeitsleistung und zusammenhängend gewährt werden. Ein gestückelter Freizeitausgleich Monate später genüge dem nicht.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen Zeitzuschlag von 100 % für die am 24. Dezember 1997 von 19:00 Uhr bis 24:00 Uhr und am 31. Dezember 1997 von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr geleistete Arbeit zu gewähren.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, für Arbeit an Vorfesttagen nach 12:00 Uhr seien Zeitzuschläge nur zu zahlen, wenn kein Freizeitausgleich gewährt werde. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Tarifwortlaut. Die Klägerin habe für die Arbeit an Heiligabend und Silvester 1997 Freizeitausgleich erhalten. § 16 Abs. 2 BAT sehe für den Freizeitausgleich keinen bestimmten Ausgleichszeitraum vor. Zwar sei der Freizeitausgleich grundsätzlich zeitnah zu der geleisteten Arbeit und möglichst zusammenhängend zu erteilen. Im Falle der Klägerin sei jedoch zu berücksichtigen, daß der Freizeitausgleich entsprechend ihren Wünschen gewährt worden sei, um ihr die Möglichkeit einzuräumen, vorrangig aufgelaufene Überstunden abfeiern zu können.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe
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Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zeitzuschläge für die an Heiligabend und Silvester 1997 geleistete Arbeit.
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1. Nach § 16 Abs. 2 BAT in der ab dem 1. Juli 1996 geltenden Fassung wird am Tag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und dem Tag vor Neujahr jeweils ganztägig Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt, soweit die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Sofern dies nicht möglich ist, wird dem Angestellten an einem anderen Tag entsprechende Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen erteilt. Die Gewährung von Zeitzuschlägen für die Arbeit an sog. Vorfesttagen ist in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT geregelt. Danach erhält der Angestellte, soweit nach § 16 Abs. 2 BAT kein Freizeitausgleich erteilt wird, für die Arbeit nach 12:00 Uhr an den Tagen vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag Zeitzuschläge von 100 vH der Stundenvergütung. Die Zahlung der Zeitzuschläge für Arbeit an diesen Vorfesttagen ist daher - anders als nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 31. Mai 2001 - 6 AZR 196/00 - zVv.) - abhängig davon, ob dem Angestellten Freizeitausgleich gewährt worden ist. Freizeitausgleich iSv. § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT ist die Erteilung entsprechender Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung an einem anderen Tag und nicht Arbeitsbefreiung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT, wie die Klägerin meint. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Regelung.
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a) Der Begriff Freizeitausgleich meint nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Freistellung von der Arbeit als Ersatz dafür, daß der Angestellte an einem an sich arbeitsfreien Tag arbeiten muß. Die fehlende Freizeit an diesem Tag ist durch entsprechende Freizeit an einem anderen Tag auszugleichen. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut, von dem bei der Tarifauslegung in erster Linie auszugehen ist (st. Rspr., vgl. etwa BAG 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 30 8) , besteht daher ein Anspruch auf Zeitzuschläge für Arbeit an Vorfesttagen nach 12:00 Uhr nur dann, wenn der Angestellte nicht an einem anderen Tag in entsprechendem Umfang von der Arbeit freigestellt wurde. Dies steht im Einklang mit der Regelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BAT. Nach dieser Bestimmung erhält der Angestellte für Arbeit an Wochenfeiertagen sowie an Ostersonntag und Pfingstsonntag Zeitzuschläge von 135 vH der Stundenvergütung, wenn kein Freizeitausgleich gewährt wird und von 35 vH bei Freizeitausgleich. Freizeitausgleich iSd. Vorschrift meint denjenigen nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT. Danach soll die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Angestellten durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Freizeitausgleich ist daher die Gewährung von bezahlter Freizeit anstelle von Arbeitsbefreiung, die anderen Angestellten an bestimmten Tagen gewährt wird. Freizeitausgleich soll die Angestellten hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Arbeitsleistung gleichstellen. In diesem Sinne ist der Begriff Freizeitausgleich auch in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT zu verstehen. Denn mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien diesen in derselben Tarifnorm mehrfach gebrauchten Begriff jeweils in der gleichen Bedeutung verstanden haben (vgl. etwa Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 327). Deshalb ist die Verwendung des Begriffs "Freizeitausgleich" statt "Arbeitsbefreiung" in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht als Redaktionsversehen zu werten. § 16 Abs. 2 BAT verwendet ausdrücklich das Wort Arbeitsbefreiung und meint damit die Freistellung von der Arbeit an Heiligabend und an Silvester. Da § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT ausdrücklich auf § 16 Abs. 2 BAT verweist, ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien den dort gebrauchten Begriff Arbeitsbefreiung auch in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT verwendet hätten, wenn sie Zeitzuschläge in allen Fällen nicht gewährter Freistellung an den Vorfesttagen nach 12:00 Uhr hätten vorsehen wollen.
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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Begriff "Freizeitausgleich" in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT auch nicht deshalb als "Arbeitsbefreiung" iSd. § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT zu verstehen, weil § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT ansonsten einen Sachverhalt regeln würde, den es tariflich nicht geben dürfte. Denn nach § 16 Abs. 2 BAT ist für Arbeit nach 12:00 Uhr an Vorfesttagen nicht zwingend Freizeitausgleich vorgeschrieben.
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§ 16 Abs. 2 Satz 2 BAT bestimmt, daß dem Angestellten, dem an dem Tage vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen Arbeitsbefreiung nicht erteilt werden kann, an einem anderen Tag entsprechende Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung erteilt wird. Dies bedeutet nicht, daß der Freizeitausgleich zwingend erfolgen muß. Im Gegensatz zu dem in § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT zwingend vorgeschriebenen Freizeitausgleich für dienstplanmäßige oder betriebsübliche Arbeit an einem Sonntag heißt es in § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT nicht, daß die Arbeitszeit an einem anderen Tag durch entsprechende Freizeit auszugleichen "ist". Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr in § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT die schwächere Formulierung gewählt, daß an einem anderen Tag entsprechende Freizeit erteilt "wird". Daraus ergibt sich im Zusammenhang mit der Zuschlagsregelung in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT, daß der Freizeitausgleich jedenfalls hinsichtlich der an den Vorfesttagen nach 12:00 Uhr geleisteten Arbeit nicht obligatorisch ist. Außerdem wäre bei Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin, mit Freizeitausgleich in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT sei in Wirklichkeit Arbeitsbefreiung iSd. § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT gemeint, der Halbsatz "soweit nach § 16 Abs. 2 kein Freizeitausgleich erteilt wird" in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT überflüssig. Hätten die Tarifvertragsparteien Zeitzuschläge für Arbeit an Vorfesttagen nach 12:00 Uhr auch für den Fall vorsehen wollen, daß dem Angestellten später Freizeitausgleich nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT erteilt wird, hätte es nahegelegen, den ersten Halbsatz in § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT wegzulassen und die Regelung so zu fassen, daß "für Arbeit nach 12:00 Uhr an dem Tag vor ... dem ersten Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag 100 v.H." der Stundenvergütung als Zeitzuschläge gezahlt werden. Da nicht davon auszugehen ist, daß die Tarifvertragsparteien überflüssiges regeln, kann der zitierte Halbsatz nur als Einschränkung dahingehend verstanden werden, daß der Anspruch auf Zeitzuschläge nur bestehen soll, wenn bezahlte Freizeit nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT nicht erteilt wird.
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c) Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich nichts anderes. Den tariflichen Bestimmungen läßt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien durch die Zeitzuschläge für Arbeit an Vorfesttagen einen Ausgleich dafür schaffen wollten, daß Angestellte an besonderen Tagen arbeiten müssen. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Zeitzuschläge für Arbeit nach 12:00 Uhr an Vorfesttagen nur, wenn kein Freizeitausgleich gewährt wird. Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien durch die Zuschlagsregelung in erster Linie einen Ausgleich dafür geschaffen haben, daß die an Vorfesttagen arbeitenden Angestellten mehr Arbeitsstunden leisten müssen als andere Arbeitnehmer, denen an diesen Tagen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung erteilt wird. Wird einem Angestellten, der an einem solchen Tag zur Arbeitsleistung herangezogen wird, an einem anderen Tag entsprechende Freizeit unter Fortzahlung der Vergütung gewährt, arbeitet er nicht mehr als ein Angestellter, dem an dem Vorfesttag Arbeitsbefreiung gewährt wird. Deshalb besteht in einem solchen Fall nach dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der Regelung kein Anlaß für die Gewährung von Zeitzuschlägen. Zwar mag die Heranziehung zur Arbeit an Heiligabend und Silvester zumeist als belastend empfunden werden. Diese besondere Belastung wollten die Tarifvertragsparteien durch die Zeitzuschläge gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BAT jedoch ersichtlich nicht ausgleichen. Dies führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einem Wertungswiderspruch. Zwar besteht für Arbeit an Sonntagen und an Wochenfeiertagen - anders als für die Arbeit an Vorfesttagen - gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b und c BAT auch dann ein Anspruch auf Zeitzuschläge, wenn später Freizeitausgleich gewährt wird. Dies hat seine Ursache ersichtlich darin, daß an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen nach § 9 Abs. 1 ArbZG grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot besteht. Die Tarifvertragsparteien haben daher die Arbeit an diesen Tagen - entsprechend der Wertung des Gesetzgebers - als besonders belastend angesehen. Diese besondere Belastung haben sie durch Zeitzuschläge ausgeglichen, wobei geringere Zeitzuschläge vorgesehen sind, wenn Freizeitausgleich gewährt wird als ohne Freizeitausgleich. Vorfesttage wie Heiligabend und Silvester sind hingegen keine gesetzlichen Feiertage. Für sie gilt das Beschäftigungsverbot gemäß § 9 Abs. 1 ArbZG nicht. Es bedeutet deshalb keinen Wertungswiderspruch, daß die Tarifvertragsparteien die Arbeit an diesen Tagen, die nach dem Arbeitszeitgesetz als Arbeitstage gelten, nicht als ähnlich belastend angesehen und deshalb dafür keine Zeitzuschläge vorgesehen haben.
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d) Die Protokollnotiz zu § 16 Abs. 2 BAT rechtfertigt keine andere Beurteilung. Danach ist die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT zustehende Arbeitsbefreiung an Heiligabend und Silvester für Angestellte, die dienstplanmäßig an allen Tagen der Woche oder im Wechselschicht- oder Schichtdienst arbeiten und deren Dienstplan an einem oder an beiden Tagen für die Zeit bis 12:00 Uhr keine Arbeit vorsieht, im Umfang von jeweils einem Zehntel der für den Angestellten geltenden durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zu gewähren, es sei denn, diese Tage fallen auf einen Samstag oder Sonntag oder bei Angestellten, deren Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche verteilt ist, auf einen für den Angestellten regelmäßig freien Tag. Diese Bestimmung wurde durch den 73. Änderungstarifvertrag zum BAT mit Wirkung vom 1. Juli 1996 eingefügt. Nach der bis dahin geltenden Regelung in § 16 Abs. 2 BAT war an Heiligabend und Silvester, ebenso wie an Ostersamstag und Pfingstsamstag, ab 12:00 Uhr Arbeitsbefreiung zu erteilen, soweit die dienstlichen oder betrieblichen Belange dies zuließen. Durch § 1 Nr. 1 des 73. Änderungstarifvertrags wurde die Regelung in § 15 a BAT, wonach der Angestellte in jedem Kalenderhalbjahr an einem Arbeitstag unter Zahlung der Urlaubsvergütung von der Arbeit freizustellen war, dahingehend geändert, daß nur noch ein Arbeitstag pro Kalenderjahr arbeitsfrei ist. Im Gegenzug dafür haben die Tarifvertragsparteien in § 1 Nr. 2 des 73. Änderungstarifvertrags vereinbart, daß die Arbeitsbefreiung nach § 16 Abs. 2 BAT an Heiligabend und Silvester ganztägig zu gewähren ist. Durch die Protokollnotiz zu § 16 Abs. 2 BAT sollte sichergestellt werden, daß die dort genannten Angestellten ebenfalls in den Genuß der weiteren jeweils halbtägigen Arbeitsbefreiung an Heiligabend und Silvester kommen, was nicht der Fall wäre, wenn sie dienstplanmäßig an Heiligabend und Silvester für die Zeit vor 12:00 Uhr nicht zur Arbeit eingeteilt sind. Die Bestimmung dient daher der Gleichstellung mit den Angestellten, die entweder Arbeitsbefreiung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT oder Freizeitausgleich nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT erhalten. Deshalb besteht nach der Protokollnotiz kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung, wenn Heiligabend oder Silvester auf einen Samstag oder Sonntag fällt oder auf einen regelmäßig freien Tag bei Angestellten, die weniger als fünf Tage pro Woche arbeiten, weil in diesen Fällen auch Angestellte, die nicht dienstplanmäßig an allen Tagen in der Woche oder im Schichtdienst arbeiten, keinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BAT haben. Die Ausnahmeregelung in der Protokollnotiz zu § 16 Abs. 2 BAT gibt daher keinen Aufschluß darüber, ob für Arbeit nach 12:00 Uhr an Vorfesttagen auch dann Zeitzuschläge zu zahlen sind, wenn nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT Freizeitausgleich gewährt wird.
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2. Die Klägerin hat für die an Heiligabend und Silvester 1997 geleistete Arbeit Freizeitausgleich erhalten. Sie hat am 24. Dezember 1997 fünf Stunden und am 31. Dezember 1997 sechs Stunden gearbeitet. Unstreitig hat sie am 9. Januar 1998 drei Stunden 15 Minuten, am 1. April 1998 fünf Stunden und am 13. Mai 1998 zwei Stunden 45 Minuten, insgesamt somit 11 Stunden bezahlte Freizeit erhalten. Dadurch wurde die Arbeit an den Vorfesttagen iSd. § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT ausgeglichen. Dem steht nicht entgegen, daß die Freizeit zum Teil erst mehr als drei Monate nach der Arbeitsleistung und außerdem nicht zusammenhängend in zwei Teilen, sondern in drei Teilen gewährt wurde.
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a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 16 Abs. 2 Satz 2 BAT - anders als in § 15 Abs. 6 BAT und in § 17 Abs. 5 BAT - keinen Ausgleichszeitraum bestimmt, sondern lediglich festgelegt, daß die entsprechende Freizeit an einem anderen Tag zu gewähren ist. Deshalb kann der Freizeitausgleich für Arbeit an Vorfesttagen - im Gegensatz zum Freizeitausgleich für Arbeit an Sonntagen oder Wochenfeiertagen oder für Überstunden - auch noch nach Ablauf von drei Monaten gewährt werden (BAG 30. Juli 1992 - 6 AZR 283/91 - AP BAT § 16 Nr. 1).
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b) Ob der Freizeitausgleich grundsätzlich zusammenhängend, dh. im gleichen Umfang wie die jeweils an den Vorfesttagen geleistete Arbeit, zu gewähren ist, bedarf keiner Entscheidung.
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Der Freizeitausgleich ist vom Arbeitgeber zu erteilen. Er hat daher die Zeit, in der der Freizeitausgleich erfolgen soll, im Wege des Direktionsrechts festzulegen. Dabei hat er die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 BGB) zu beachten. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (st. Rspr., vgl. etwa BAG 25. Oktober 1989 - 2 AZR 633/88 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30, zu II 2 b aa der Gründe; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 1009/94 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 16, zu I 1 der Gründe). Dies ist hier der Fall.
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Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Freizeitausgleich nach den Wünschen der Klägerin festgelegt. Ihre Belange wurden daher nicht nur angemessen, sondern in vollem Umfang berücksichtigt. Die Aufteilung des Freizeitausgleichs in drei Teile ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.
36

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Dr. Peifer Dr. Armbrüster Gräfl
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Klabunde R. Schwarck
Stichwörter: arbeit + vorfesttagen + zeitzuschläge

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