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Die Bindungswirkung eines bestandskräftigen, die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Bescheides beschränkt sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe Druckansicht
Urteil vom 25. Juli 2001
VI R 164/98

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 184)

BUNDESFINANZHOF


Die Bindungswirkung eines bestandskräftigen, die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Bescheides beschränkt sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe. Auf einen danach erneut gestellten Antrag kann demzufolge Kindergeld auch rückwirkend ab dem auf die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides folgenden Monat bewilligt werden.

Gründe


Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat drei in den Jahren 1975 bis 1979 geborene Kinder. Mit Antrag vom 12. Februar 1996, bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Arbeitsamt --Familienkasse--) eingegangen am 23. Februar 1996, beantragte der Kläger erstmals Kindergeld für seine Kinder. Mit Schreiben vom 11. März 1996 bat die Familienkasse u.a., eine von der Ehefrau des Klägers unterschriebene Berechtigtenbestimmung und eine Ausbildungsbescheinigung für den älteren Sohn einzureichen. Dieses Schreiben ließ der Kläger unbeantwortet. Mit Bescheid vom 23. Mai 1996 lehnte die Familienkasse den Antrag auf Kindergeld vom 23. Februar 1996 wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 23. Oktober 1996 beantragte der Kläger erneut Kindergeld für seine drei Kinder und reichte dazu eine Ausbildungsbescheinigung und eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen seines Sohnes ein. Mit Bescheid vom 19. November 1996 setzte die Familienkasse unter Berufung auf § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Dezember 1996 Kindergeld für die Kinder des Klägers in Höhe von 700 DM monatlich fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger die Gewährung von Kindergeld rückwirkend ab April 1996 in Höhe von 700 DM monatlich begehrte, mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 184 veröffentlichten Gründen ab.

Mit seiner Revision, mit der er nur noch die Gewährung von Kindergeld für die Monate Juni bis November 1996 (sechs Monate à 700 DM) begehrt, vertritt der Kläger die Auffassung, die Ablehnung seines Kindergeldantrags sei nicht mit einer positiven Festsetzung gleichzusetzen. Auch nach § 66 Abs. 3 EStG a.F. habe ihm rückwirkend Kindergeld gewährt werden müssen. Es könne keinen Unterschied machen, ob bereits ein früher ergangener Kindergeldbescheid vorliege oder ob ein Erstantrag gestellt werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben, als die Zahlung von Kindergeld für die Monate Juni bis November 1996 abgelehnt worden ist, und die Familienkasse zu verpflichten, ihm rückwirkend für die Monate Juni bis November 1996 Kindergeld in Höhe von 4 200 DM zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie beruft sich dafür auf die Gründe der Vorentscheidung. Die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Kindergeld sei im Falle der Bewilligung ein Steuerbescheid und im Falle der Ablehnung ein Freistellungsbescheid. Lediglich wegen der besseren Verständlichkeit für die Betroffenen werde im letzteren Fall von einer Bezeichnung als Freistellungsbescheid abgesehen und das Kindergeld stattdessen auf 0 DM festgesetzt. In der Ablehnung der Kindergeldfestsetzung im vorliegenden Fall sei eine Festsetzung auf 0 DM zu sehen. Die materielle Bestandskraft dieses Bescheides, der der Sache nach ein Freistellungsbescheid sei, ergebe sich aus seinem Regelungsgehalt. Der Regelungsgehalt umfasse auch den Kindergeldanspruch für die Zukunft. Ebenso wie eine positive Kindergeldfestsetzung ein Dauerverwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft sei, gelte dies auch für eine Nullfestsetzung, denn diese umfasse die Entscheidung, dass --vorbehaltlich einer Änderung der Verhältnisse-- auch in der Zukunft kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Bescheides der Familienkasse in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit, als die Zahlung von Kindergeld für die Monate Juni bis November 1996 abgelehnt worden ist, sowie zur Verpflichtung der Familienkasse, dem Kläger Kindergeld rückwirkend für die Monate Juni bis November 1996 in Höhe von insgesamt 4 200 DM zu gewähren (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Kinder des Klägers waren in der Zeit von Juni bis November 1996 für das Kindergeld zu berücksichtigen. Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 3 und 4 Satz 1 EStG lagen vor.

2. Die Familienkasse hat dem Antrag des Klägers auf Kindergeld vom 23. Oktober 1996 zu Unrecht nur für die Zukunft stattgegeben. Der Kläger hat auch Anspruch auf die rückwirkende Festsetzung von Kindergeld für die Monate Juni bis November 1996. Dieser Anspruch wird nicht durch den Bescheid der Familienkasse vom 23. Mai 1996 ausgeschlossen, mit dem die Gewährung von Kindergeld abgelehnt worden war. Dabei kann der Senat offen lassen, ob es sich bei diesem Bescheid, wie die Familienkasse meint, um einen Freistellungsbescheid handelt.

a) Die Bindungswirkung des genannten Bescheides beschränkt sich auf die Zeit bis zu dem Ende des Monats, in dem er bekannt gegeben wurde.

Der Umfang der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheides vom 23. Mai 1996 ergibt sich aus seinem Regelungsgehalt. Als Verwaltungsakt trifft er eine Regelung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bescheiderteilung. Er erschöpft sich damit in der Regelung des Anspruchs auf Kindergeld für den bis dahin abgelaufenen Zeitraum. Über die in der Zukunft liegenden und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht entstandenen Kindergeldansprüche kann der Bescheid hingegen noch keine Regelung treffen. Eine in die Zukunft weisende Bindungswirkung kommt ihm demnach nicht zu (ebenso FG Bremen, Urteil vom 28. Januar 1999498133K 1, EFG 1999, 847, 849; a.A. FG Hessen, Urteil vom 4. November 19982 K 6214/97, EFG 1999, 185, 186; D. Felix, Finanz-Rundschau --FR-- 2001, 674, 680; nunmehr auch Schreiben des Bundesamtes für Finanzen --BfF-- vom 14. September 2001 St/4 -S 2478- 2/2001, BStBl I 2001, 615).

Eine Bindungswirkung für die Zukunft haben nach der gesetzlichen Konzeption des § 70 Abs. 1 bis 3 EStG nur positive Kindergeldfestsetzungen. Diese Vorschrift, die die Festsetzung von Kindergeld mit Wirkung für die Zukunft zulässt, gilt nicht für Ablehnungsbescheide. Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift verhindern, dass die Familienkasse an eine als fehlerhaft erkannte Kindergeldfestsetzung gebunden bleibt (BTDrucks 13/3084, S. 21). Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung der Vorschrift nur Fehler, die den Kindergeldberechtigten begünstigen, also positive Kindergeldfestsetzungen, im Blick. Entsprechend hat er eine Änderung nur für die Zukunft zugelassen, um dem betroffenen Kindergeldberechtigten Vertrauensschutz hinsichtlich der unrichtigen Beurteilung der Familienkasse für die Vergangenheit zu gewähren. Es liegt damit an der Familienkasse, durch eine alsbaldige Änderung des materiell fehlerhaften Bescheides den Schaden möglichst gering zu halten. Im umgekehrten Fall der Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist eine Vertrauensschutzregelung nicht geboten.

Der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Korrektur in der Weise möglich ist, dass der Berechtigte einen erneuten Kindergeldantrag stellt, dem die Behörde entsprechen muss, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld vorliegen.

Hätten Ablehnungsbescheide Wirkungen für die Zukunft, so dass eine Änderung nach Eintritt der Bestandskraft nur nach § 70 Abs. 2 und 3 EStG möglich wäre, so läge darin zudem eine unangemessene Benachteiligung derjenigen Berechtigten, die nur Anspruch auf Kindergeld haben, gegenüber solchen Eltern, denen alternativ ein Kinderfreibetrag zusteht. Letztere können unabhängig von der Bestandskraft eines Bescheides, mit dem die Gewährung von Kindergeld abgelehnt wird, stets noch rückwirkend die Gewährung des Kinderfreibetrages verlangen. Damit ist es nicht vereinbar, einem Berechtigten, bei dem sich der Kinderfreibetrag nicht auswirkt, nach Eintritt der Bestandskraft eines Ablehnungsbescheides sogar die Möglichkeit zu versagen, Kindergeld rückwirkend bis zu dem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides zu beantragen.

b) Folglich ist nach Ergehen eines Ablehnungsbescheides ein neuerlicher Antrag auf Gewährung von Kindergeld zulässig (ebenso FG Münster, Urteil vom 23. Oktober 20004 K 6362/98 Kg, EFG 2001, 82; Bergkemper, FR 2000, 136, 138; Siegers, EFG 2001, 83; nunmehr auch BfF in BStBl I 2001, 615; a.A. D. Felix, FR 2001, 674, 679). Dieser ist nach § 66 Abs. 2 EStG zu beurteilen. Damit ist auch eine rückwirkende Kindergeldfestsetzung bis zu dem auf den Monat der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides folgenden Monats, hier also jedenfalls ab Juni 1996, zulässig.

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