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BGH 2003-01-22 Zur Zumutbarkeit und Eignung eines Nachmieters
BGH Urteil vom 22. Januar 2003 Az.: VIII ZR 244/02 Rechtsnorm: BGB § 535
Zur Frage der Zumutbarkeit und Eignung eines Nachmieters, wenn sich der Vermieter unter der Bedingung, dass ein solcher Nachmieter gefunden wird, mit einer Entlassung des Mieters aus dem Mietvertrag einverstanden erklärt.
Tatbestand:
Mit Mietvertrag vom 20. Mai 1999 vermietete die Klägerin den Beklagten, zwei Brüdern, für die Zeit ab 1. August 1999 eine 4-Zimmer-Wohnung für die Dauer von fünf Jahren. Die Nettomiete betrug 1.265 DM (646,78 Euro) zuzüglich einer monatlichen Nebenkostenvorauszahlung von 300 DM (153,39 Euro). Kurz nach Beginn des Mietverhältnisses veränderte sich der Beklagte zu 2) beruflich und nahm eine Arbeitsstelle in S. an. Der Beklagte zu 1) heiratete im September 1999. Aufgrund dieser beruflichen und persönlichen Veränderungen kündigten die Beklagten mit Schreiben vom 7. September 1999 das Mietverhältnis zum 31. Januar 2000 und räumten die Wohnung Ende Januar 2000. Seit Februar 2000 zahlten sie keine Miete mehr. Im Anschluss an die von den Beklagten erklärte Kündigung hatten die Parteien vereinbart, dass das Mietverhältnis beendet werden solle, wenn ein geeigneter Nachmieter gefunden sei. Seit November 1999 suchte die Klägerin mehrfach durch Inserate in der örtlichen Landeszeitung neue Mieter. Im Mai 2000 meldete sich der Zeuge D. als Mietinteressent. Er wurde von der Klägerin abgewiesen, weil er mit einem Kind in die Wohnung einziehen wollte. Die Klägerin vermietete die Wohnung zum 1. August 2000 für eine Nettomiete von 611 Euro.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Bruttomiete für die Monate Februar bis einschließlich Juli 2000 in Höhe von (umgerechnet) 5.022,23 Euro und für den anschließenden Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2003 die monatliche Differenz zwischen der mit den Beklagten einerseits und dem Nachmieter andererseits vereinbarten Nettomiete. Darüber hinaus macht sie Ersatz der Kosten geltend, die ihr für Zeitungsinserate entstanden sind und die sie mit insgesamt 248,78 Euro beziffert. Sie hat vorgetragen, der Zeuge D. sei für sie kein zumutbarer Nachmieter gewesen, da sich die Mieterin in der unteren Wohnung schon früher über Kinderlärm beschwert und mit dem Auszug gedroht habe. Die Beklagten haben geltend gemacht, eine Vermietung an den Interessenten D. , der die Wohnung für dieselbe Miete, die sie, die Beklagten, gezahlt hätten, gemietet hätte, sei für die Klägerin möglich und zumutbar gewesen.
Das Amtsgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in Höhe von 2.781,69 Euro statt gegeben und im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht ihr weitere 203,10 Euro für die Zeitungsanzeigen zugesprochen, insgesamt demnach 2.984,79 Euro, und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Die Anschlussberufung der Beklagten hat es insgesamt zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagten wenden sich mit ihrer Anschlussrevision gegen das landgerichtliche Urteil insoweit, als sie in Höhe von 387,58 Euro zur Bezahlung von Nebenkosten verurteilt worden sind.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat die Mietforderung der Klägerin und den Anspruch auf Ersatz der Kosten für Zeitungsinserate nur hinsichtlich des Zeitraums bis einschließlich Mai 2000 für gerechtfertigt erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen den Parteien sei eine Vereinbarung dahin zustande gekommen, dass die Beklagten aus dem Mietverhältnis entlassen werden sollten, sobald ein geeigneter Nachmieter gefunden sei. An dieser Vereinbarung müsse sich die Klägerin festhalten lassen. Bei dem Zeugen D. , der die Wohnung zum 1. Juni 2000 habe mieten können und wollen, habe es sich um einen geeigneten und der Klägerin zumutbaren Nachmieter gehandelt. Der Umstand, dass er mit einem Kind habe einziehen wollen, habe die Klägerin nicht berechtigt, den Abschluss eines Mietvertrages mit dem Zeugen abzulehnen. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit müssten fernliegende Befürchtungen, bloße persönliche Antipathien und eine objektiv nicht begründete, negative Einstellung des Vermieters zu bestimmten Mieterkreisen unberücksichtigt bleiben. Dies gelte im vorliegenden Fall auch für die Befürchtung der Klägerin, bei einem Einzug des Zeugen D. mit seinem Kind sei mit Beschwerden der Mieterin in der darunterliegenden Wohnung zu rechnen. Die normalen Wohngeräusche anderer Mieter seien in einem Mietshaus hinzunehmen; hierzu gehörten auch Geräusche, die von Kindern der Mieter ausgingen. Dass Kinder grundsätzlich eine Lärmbelästigung verursachten, die das in einem Mietshaus zulässige Maß an Geräuschimmissionen übersteige, sei eine unzulässige Verallgemeinerung, die auch nicht zu belegen sei. Der Abschluss eines Mietvertrages mit einer Person, die mit einem Kind - gleich welchen Alters - in die Wohnung einziehen wolle, sei nicht unzumutbar. In besonderem Maße gelte dies bei langfristigen Mietverhältnissen, bei denen sich das Auswahlrecht des Vermieters letztlich zu Lasten des Mieters wirtschaftlich auswirke. Der Vermieter müsse sich daher in solchen Fällen eine Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit dahin gefallen lassen, dass er einen Nachmieter nur aus gewichtigen Gründen ablehnen dürfe. Im Rahmen der Zumutbarkeit müsse ferner berücksichtigt werden, dass die Klägerin auch den Beklagten nicht hätte untersagen können, dauerhaft ein Kind in die Wohnung aufzunehmen.
Die Klägerin könne auch nicht die Differenz zwischen der von den Beklagten und dem Nachmieter gezahlten Nettomiete verlangen. Die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetragen, dass der Zeuge D. die Wohnung nicht zu dem Mietzins habe anmieten wollen, den die Beklagten gezahlt hätten. Die Beklagten hätten bestritten, dass die Nachmieter, und somit auch der Zeuge D., nur zur Zahlung eines geringeren Mietzinses bereit gewesen seien. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, substantiiert vorzutragen, zu welchem Mietzins der Zeuge D. bereit gewesen wäre, die Wohnung anzumieten. Dies gelte auch für die Behauptung der Klägerin, der Zeuge D. hätte die Wohnung nicht zum Juni 2000 anmieten können. Hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Nebenkosten hat das Berufungsgericht gemeint, im Ergebnis sei die von der Klägerin erstellte Abrechnung nicht zu beanstanden, weil sie in dieser Abrechnung die mit der Bruttomiete geltend gemachten Vorauszahlungen bereits als gezahlt eingesetzt habe, so dass den Beklagten hierdurch kein Nachteil entstehe.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts, halten der rechtlichen Nachprüfung in vollem Umfang stand.
A) Revision der Klägerin
Das Rechtsmittel der Klägerin, mit dem sie die vollen Mietzinsansprüche für die Monate Juni und Juli 2000 sowie die Differenz zwischen den von dem Nachmieter gezahlten Nettomietzins zu der mit den Beklagten vereinbarten Miete für die Zeit bis 31. Juli 2003 sowie weitere Inseratkosten weiterverfolgt, hat keinen Erfolg.
1. Zutreffend und von der Revision unangegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Mieter, der sich vorzeitig aus einem für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossenen Mietvertrag lösen will, seine Entlassung aus dem Mietverhältnis nur dann verlangen kann, wenn er dem Vermieter einen geeigneten und zumutbaren Ersatzmieter (Nachmieter) stellt. Das gilt allgemein kraft Gesetzes (§ ), wobei noch ein berechtigtes Interesse des Mieters an der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses hinzutreten muss, und ebenso dann, wenn die Parteien - wie hier - eine dahingehende Vereinbarung getroffen haben. Bei der Frage, ob die Person des von dem Mieter gestellten Nachmieters geeignet und ob dem Vermieter eine Fortführung des Mietverhältnisses mit diesem zumutbar ist, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Im Rahmen der Anwendung eines derartigen Rechtsbegriffes auf den konkreten Sachverhalt ist dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum vorbehalten. Der Revisionsrichter kann die Entscheidung des Berufungsgerichts regelmäßig nur darauf überprüfen, ob das Gericht den Rechtsbegriff verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensfehler unterlaufen sind und ob es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 2/89, NJW 1990, 2889 unter I, 2 b; Senatsurteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 129/92, NJW 1994, 443 unter II, 1 b). Derartige Rechtsfehler lässt das Berufungsurteil nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat den Begriff der Zumutbarkeit rechtsfehlerfrei ausgelegt. Es hat eine eingehende Würdigung aller Umstände des Falles vorgenommen und dabei, anders als die Revision meint, auch die Interessen der Klägerin im Hinblick auf das Mietverhältnis mit ihrer weiteren, im selben Hause wohnenden Mieterin berücksichtigt. Seine tatrichterlichen Erwägungen sind daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2. Zu Unrecht meint die Revision, das Berufungsgericht hätte auch deshalb nicht von der Eignung des Zeugen D. als Nachmieter ausgehen dürfen, weil die Klägerin vorgetragen habe, alle Nachmieter, und damit auch der Zeuge D. , seien nur zur Zahlung eines geringeren Mietzinses bereit gewesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass es Sache der Klägerin gewesen wäre, näher vorzutragen, zu welchem Mietzins der Zeuge D. bereit war, die Wohnung anzumieten. Zwar trifft den Mieter die Beweislast dafür, dass der Vermieter einen Ersatzmieter wider Treu und Glauben bzw. entgegen der getroffenen Vereinbarung abgelehnt hat. Ist der Vermieter aber – wie hier nach dem Auszug der Beklagten - selbst mit dem Mietinteressenten in Verbindung getreten und hat mit diesem über die Anmietung der Wohnung verhandelt, kann er sich nicht darauf beschränken, die Eignung des Mietinteressenten zu bestreiten. Da er über bessere eigene Kenntnisse als der Vormieter in bezug auf die maßgeblichen Umstände verfügt, ist er zu einem substantiierten Gegenvorbringen gehalten (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 m.w.Nachw.). Die Klägerin hätte deshalb, nachdem die Beklagten behauptet hatten, dass der Mietinteressent D. denselben Mietzins habe zahlen wollen wie sie, konkret vortragen müssen, zu welchem Preis der Zeuge D. bereit gewesen war, die Wohnung anzumieten. Nur dann wäre ihr Bestreiten erheblich gewesen.
Dasselbe gilt für die Behauptung der Beklagten, der Zeuge D. habe die Wohnung zum Juni 2000 anmieten wollen. Der Klägerin war es, anders als den Beklagten, unschwer möglich, den Zeitpunkt zu nennen, von dem an der Zeuge D. die Wohnung gemietet hätte, wenn sie ihn nicht abgelehnt hätte.
Ohne Erfolg rügt die Revision in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe es unter Verletzung der Vorschrift des § 139 ZPO unterlassen, die Klägerin über ihre Obliegenheit zu substantiiertem Gegenvorbringen aufzuklären. Diese Rüge ist nicht in der erforderlichen Weise ausgeführt. Die Revision hat nicht angegeben, was sie auf den vermissten Hinweis hin zu den Bedingungen vorgetragen hätte, zu denen der Mietvertrag mit dem Zeugen D. hätte geschlossen werden können (BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - IX ZR 430/97 unter 1 c m.w.Nachw.; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 551 Rdnr. 11).
3. Aus den genannten Gründen hat das Berufungsgericht auch zu Recht die geltend gemachten Forderungen auf die Mietzinsdifferenz sowie auf weitere Inseratkosten verneint.
B. Anschlussrevision der Beklagten
Das Rechtsmittel der Beklagten ist kraft Gesetzes statthaft und auch im übrigen zulässig (§ 554 ZPO); es hat jedoch gleichfalls keinen Erfolg.
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin mit ihrer Klage für die Zeit bis zur Neuvermietung der Wohnung die Bruttomiete geltend macht, auf die darin enthaltenen Nebenkostenvorauszahlungen die nach ihrer Abrechnung geschuldeten Nebenkosten anrechnet und den zugunsten der Beklagten verbleibenden Saldo mit der geschuldeten Nettomiete verrechnet; dadurch werden die Beklagten im Ergebnis wirtschaftlich nicht schlechter gestellt als bei einer isolierten Nebenkostenabrechnung, weil der überschießende Betrag ihnen auf jeden Fall gutgebracht wird. Das hat das Berufungsgericht richtig gesehen. Wie die Anschlussrevision im Ansatz zu Recht vorbringt, enthält die Nebenkostenabrechnung der Klägerin auch verbrauchsabhängige Positionen, die pauschal nach Personentagen (Frischwasser und Abwasser) bzw. nach Heizfläche und Gradtagen (Heizungskosten) abgerechnet sind, obwohl die Beklagten die Wohnung seit Februar 2000 nicht mehr genutzt haben; dies dürfte sich bei den Kosten für Wasser und Abwasser und in gewissem Umfang auch bei den Heizkosten ausgewirkt haben. Das von der Anschlussrevision in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist jedoch nicht hinreichend substantiiert; es fehlt insbesondere an der konkreten Bezeichnung der Positionen, deren Berechtigung die Beklagten bestreiten wollen.
III.
Da weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind, sind Revision und Anschlussrevision zurückzuweisen.