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(SZ vom 1.8.2003) Der Leerstand im Osten ist in den letzten vier Jahren um weit über 300.000 auf 1,3 Millionen Wohnungen gestiegen. Das Stadtumbauprogramm Ost sieht deshalb bis 2009 den Abriss von 350.000 Wohnungen vor. Seither mehren sich vor ostdeutschen den Gerichten die Fälle, in denen es um Abrisskündigungen geht. <br />
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Da wurde lange darüber diskutiert, welchen Kündigungsgrund der Vermieter vorbringen könnte, wenn ihm wegen des Verbleibs nur weniger Mieter unverhältnismäßig hohe Betriebskosten entstehen. Schließlich ist in den neuen Bundesländern die so genannte Verwertungskündigung für Mietverträge aus DDR-Zeiten nach wie vor ausgeschlossen. Die Gerichte begründen deshalb für solche Fälle ein „sonstiges berechtigtes Interesse“ an der Kündigung. So hatte jüngst das Landgericht Gera einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Kündigung des einzig verbliebenen Mieters in einem elfgeschossigen Plattenbau in Jena ging. <br />
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Mietminderung bei Leerstand<br />
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Der Mieter hatte sich geweigert auszuziehen. Der Wohnungsbau- und Verwaltungs-Gesellschaft Jena mbH waren dadurch jährliche Unterhaltskosten von mehr als 77.000 Euro entstanden – ein Vielfaches der Mieteinnahmen. Der Mieter zeigte trotz der angebotenen Übernahme der Umzugskosten und einer Abstandszahlung von 20.000 Euro keine Einsicht. Das Landgericht Gera gab der Kündigungsklage des Vermieters aber statt: Ein Festhalten am Mietverhältnis sei nicht länger zuzumuten (Urteil vom 11. Juni 2003, 1 S 123/03). <br />
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» Der Vermieter ist grundsätzlich nicht berechtigt, alle anfallenden Kosten auf die verbliebenen Mieter zu verteilen. «<br />
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Nicht überall sind die Probleme so groß wie in Jena, wo wegen des dramatischen Sinkens der Einwohnerzahl ganze Wohnblocks abgerissen werden müssen. Auch in anderen Teilen Deutschlands kann das Problem auftreten, dass nur noch ein Teil der Wohnungen vermietet ist. Dann stellt sich für Vermieter die Frage, ob sie Betriebskosten, die nicht verbrauchsabhängig, sondern flächenanteilig umgelegt werden, nach der vermieteten Fläche abrechnen dürfen. „Der Vermieter ist grundsätzlich nicht berechtigt, alle anfallenden Kosten auf die verbliebenen Mieter zu verteilen“, erklärt der Mietrechtler Professor Friedemann Sternel. Das Vermietungsrisiko habe allein der Vermieter zu tragen. Ebenfalls unwirksam sind Formularklauseln, nach denen die Betriebskosten ausschließlich auf die vermieteten Flächen umgelegt werden dürfen. Die Anteile der leer stehenden Flächen muss der Vermieter tragen. Als Ausnahme gilt laut Sternel nur ein ganz erheblicher Leerstand, der strukturbedingt ist. In einem solchen Fall könne dem Vermieter ein Anspruch auf Änderung des Verteilerschlüssels zustehen. <br />
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Fahrstuhl stillgelegt<br />
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Der Vermieter bleibt verpflichtet, seinen Verkehrssicherungspflichten nachzukommen, muss also Gefahren für Leib und Leben der Bewohner abwenden. Hat er den Leerstand nicht zu vertreten, muss er aber etwa einen Balkon dann nicht mehr instand setzen lassen, wenn das Haus ohnehin abgerissen werden soll. Leerstandsbedingt unwirtschaftlich gewordene Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa der Fahrstuhl darf er stilllegen. Auch eine Müllschluckanlage braucht er nicht mehr zu betreiben. <br />
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Führt der Leerstand zu Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs, darf der Mieter Abhilfe verlangen, sofern der Vermieter sich nicht auf seine besondere Situation berufen kann. Dem Mieter steht auch das Recht auf Mietminderung zu, wenn sich der Leerstand auf den Mietgebrauch auswirkt. Kommt es etwa zu ungebetenem Besuch, muss der Vermieter für Sicherheit sorgen. Hat er die Reinigungspflicht für Treppen und Wege auf die Mieter übertragen, brauchen sie nur in dem Umfang zu reinigen, die dem Turnus bei durchschnittlicher Belegung des Gebäudes entspricht. <br />
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