Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Architektenschlußrechnung
Oberlandesgericht Oldenburg
Az.: 2 U 122/01
Urteil vom 29.08.2001
In dem Rechtsstreit hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2001 durch die Richter für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. April 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen hinsichtlich der Entscheidung über die Widerklage und der Kostenentscheidung geändert:
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 27.305,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt 54.520,35 DM.
Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000, DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat zum Teil Erfolg. Der Beklagten steht lediglich ein restlicher Honoraranspruch für die tatsächlich von ihr erbrachten Leistungen in Höhe von 27.305,20 DM zu. Dieser Anspruch ist weder verjährt, noch besteht eine Bindung der Beklagten an ihre Schlußrechnung vom 21.11.1994. Im einzelnen gilt folgendes:
1. Die Beklagte kann von der Klägerin lediglich ein restliches Architektenhonorar für die von ihr erbrachten Leistungen verlangen. Ein darüber hinausgehender Anspruch gemäß § auf die gesamte vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen besteht nicht, da die Klägerin den Architektenvertrag aus wichtigem Grund gekündigt hat. Im übrigen lagen im Zeitpunkt der Kündigung auch die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Vertrag gemäß § vor. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind hier mit denen einer Kündigung aus wichtigem Grund identisch, so daß es keiner Darlegungen zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § zur Kündigung aus wichtigem Grund bedarf.
Ein Auftraggeber kann einen Werkvertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn ihm ein Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Parteien nicht mehr zugemutet werden kann (BGH ZfBR 1997, 36; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 7. Auflage, Einl. Rdnr. 145, 146; WernerPastor, 9. Auflage, Rdnr. 956). Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt.
Der von der Beklagten für die Klägerin gefertigte Bauantrag ist ausweislich der beigezogenen Bauakte am 28.04.1994 beim Bauamt eingegangen. In diesem Zusammenhang gibt die Berufungsbegründung Anlaß zu dem Hinweis, daß der Senat zu einer solchen Beiziehung der Bauakte gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO befugt war, denn beide Parteien streiten unter anderem im Kern darüber, ob die Beklagte die notwendigen Unterlagen beim Bauamt eingereicht hat. Damit beziehen sie sich zumindest konkludent auf den Verwaltungsvorgang, und dies berechtigt das Zivilgericht zur Beiziehung der entsprechenden Akte (ZöllerGreger, 22. Auflage, § 273 Rdnr. 7); folglich war auch die entsprechende Handlungsweise des Landgerichts nicht verfahrensfehlerhaft, sondern sachgerecht.
Der Bauantrag der Beklagten war zunächst nicht genehmigungsfähig. Vor allem beanstandete das Bauamt unter dem Datum des 20.05.1994 die Anordnung der Stellplätze und den Grenzabstand des Treppenraums. Jedenfalls hinsichtlich des letzteren Mangels war eine Planungsänderung notwendig. Ausweislich eines Vermerks der Sachbearbeiterin S vom 06.06.1994 versprach die Beklagte, geänderte Pläne einzureichen. Gleichwohl erklärte sie unstreitig gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin am 07.07.1994, Änderungspläne seien nicht notwendig. Dies entsprach nicht der Wahrheit, und tatsächlich reichte die Beklagte am 12.07.1994 umfangreiche geänderte Planungsunterlagen beim Bauamt ein. Am 17.08.1994 versprach sie einem Mitarbeiter der Klägerin, die fehlenden Unterlagen für die Statik binnen 14 Tagen einzureichen. Nachdem die Klägerin am 30.08.1994 in Erfahrung gebracht hatte, daß die Beklagte entgegen ihrer Ankündigung keine weiteren Unterlagen beim Bauamt eingereicht hatte, forderte sie die Beklagte mit Schreiben vom 30.08.1994 unter Fristsetzung bis zum 06.09.1994 auf, die notwendigen Abklärungen mit dem Bauamt vorzunehmen und die Statik einzureichen. Damit hat sie ersichtlich der Beklagten eine Frist mit Ablehnungsandrohung gemäß § zur Einreichung aller vollständigen und genehmigungsfähigen Unterlagen beim Bauamt gesetzt. Diese Frist war angesichts der Tatsache, daß die Beklagte bereits am 17.08.1994 die Einreichung der Statik binnen 14 Tagen selbst versprochen hatte, nicht zu kurz bemessen. Tatsächlich hat die Beklagte anschließend weder binnen der gesetzten Frist noch bis zur Kündigungserklärung vom 26.10.1994 die vollständigen Unterlagen eingereicht. Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil fehlte keineswegs nur eine Seite der Statik. Der mit der Prüfung der Unterlagen beauftragte DiplomIngenieur E mahnte vielmehr mit Schreiben vom 27.09.1994 als fehlende statische Unterlagen die gesamten Ausführungszeichnungen, die Entwurfszeichnungen sowie die Wärme und Schallschutzunterlagen an. Die Schallschutznachweise wurden erst am 13.10.1994 erbracht, alle anderen fehlenden Unterlagen erst nach der Kündigungserklärung vom 26.10.1994.
Zusammenfassend ist mithin festzustellen, daß die Beklagte über Monate ihre Leistungen nur schleppend und unzureichend erbracht und die ihr gesetzte Frist zur Fertigstellung der Planungsunterlagen nicht eingehalten hat. Damit hat sie ihre Pflicht zur zügigen Bearbeitung des ihr erteilten Auftrags (vgl. dazu z. B. BGH ZfBR 2001, 322) verletzt, so daß der Klägerin ein Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr zumutbar war.
Die Beklagte hat mithin lediglich einen Anspruch auf Honorierung der von ihr tatsächlich erbrachten Leistungen. Ohne Bedeutung ist, daß teilweise Unterlagen erst nach der Kündigung nachgereicht worden sind, da die Klägerin in der Folgezeit die - vervollständigte - Leistung der Beklagten insgesamt in Anspruch genommen und verwertet hat. Das Landgericht hat insoweit einen Vergütungsanspruch in Höhe von 45.705,20 DM brutto errechnet, was entgegen der Ansicht der Berufung rechnerisch nicht zu beanstanden ist. Davon abzuziehen ist die von der Klägerin erbrachte Zahlung von 18.400, DM, woraus sich ein Restanspruch der Beklagten in Höhe von 27.305,20 DM ergibt.
2. Der Anspruch der Beklagten ist nicht verjährt. Die zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 196 Nr. hat gemäß § erst Ende 1998 zu laufen begonnen und ist durch die 1999 erhobene Widerklage gemäß § rechtzeitig unterbrochen worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Schlußrechnung der Beklagten am 21.11.1994 den Lauf der Verjährung nicht in Gang gesetzt.
Der Beginn der Verjährung knüpft an die Entstehung und damit an die Fälligkeit der Forderung an; ein Architektenhonorar wird aber auch bei vorzeitiger Beendigung des Architektenvertrags erst fällig, wenn der Architekt eine prüfbare Schlußrechnung erteilt (BGH BauR 2000, 589). Die Anforderungen an die Prüfbarkeit einer Architekenschlußrechnung richten sich nach den Informations und Kontrollinteressen des Auftraggebers, die wiederum von den Umständen des Einzelfalls abhängen (z. B. BGH BauR 1998, 1108, 1109; BGH ZfBR 2000, 46, 47).
Diesen Anforderungen genügt die Schlußrechnung der Beklagten vom 21.11.1994 nicht. Zwar kann bei einem Pauschalhonorar für die Prüfbarkeit der Honorarschlußrechnung die Angabe des Honorars selbst ausreichend sein (vgl. Werner/Pastor Rdnr. 977 m. w. N.). Wird ein solcher Architektenvertrag – wie es hier der Fall gewesen ist – jedoch vorzeitig beendet, bedarf es grundsätzlich einer nachprüfbaren Aufschlüsselung von erbrachten und nicht erbrachten Leistungen (BGH BauR 1994, 655; BGH BauR 1997, 304; Werner/Pastor Rdnr. 97
. Ein entsprechendes Prüf und Kontrollinteresse war – wenn auch möglicherweise nur in eingeschränktem Umfang – auch bei der Klägerin im Zeitpunkt der Erteilung der Schlußrechnung vom 21.11.1994 objektiv vorhanden. Zwar hat sie seinerzeit die genannte Schlußrechnung tatsächlich offenbar ungeprüft an die Beklagte zurückgesandt, da sie die Rechtsansicht vertreten hat, ohnehin nichts mehr zu schulden. Gleichwohl war – insbesondere für den Fall, daß sie mit dieser Rechtsansicht bei der Beklagten nicht durchdringen würde – bei ihr objektiv ein Prüf und Kontrollinteresse dahingehend vorhanden, die Höhe des noch geltend gemachten Honorars nachvollziehen zu können. Dem genügt die Schlußrechnung vom 21.11.1994 nicht. Die Beklagte hat darin lediglich das Pauschalhonorar, die geleistete Abschlagszahlung und einen Abzug von 7.000, DM unter einer Rubrik „Einsparung Bauleitung" aufgeführt. Daraus läßt sich nicht einmal ansatzweise entnehmen, für welche erbrachten und für welche nicht erbrachten Leistungen ein Honorar verlangt wurde.
3. Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § an ihre Schlußrechnung vom 21.11.1994 gebunden. Ein für eine derartige Bindungswirkung notwendiges schutzwürdiges Interesse des Auftraggebers kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn er sich auf die Richtigkeit der Honorarschlußrechnung eingerichtet, also tatsächlich darauf vertraut hat (BGH BauR 1993, 236, 239; Senat Urteil vom 29.06.2001, Az: 2 U 113/01). Daran fehlt es hier, denn die Klägerin hat die Schlußrechnung aus dem Jahr 1994 ungeprüft an die Beklagte zurückgesandt und die Auffassung vertreten, sie sei ohnehin zu keiner Zahlung verpflichtet.
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 1 und 2 ZPO.