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Kündigungsschutz bei Zwischenvermietung

BGH, Urteil vom 30. April 2003 Az.: VIII ZR 163/02 Rechtsnormen: § 556 Abs. 3 a.F. BGB; § 985 BGB

Zur Einschränkung des Herausgabeanspruchs gemäß § 556 Abs. 3 BGB a.F., § 985 BGB durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im gestuften Mietverhältnis (Art. 3 Abs. 1 GG).


Tatbestand:

Die Klägerin zu 3 ist Eigentümerin des Grundstücks P. Platz in B. . Die Beklagte nutzt dort aufgrund eines mit dem D. e.V. geschlossenen Mietvertrages Räumlichkeiten zu Wohnzwecken. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe dieser Räume.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, der V. B. K. Wohnverwaltung B. , überließ das Gebäude aufgrund eines Wohn- und Gewerberaummietvertrages vom 4. Mai 1990 dem D. e.V. Dieser ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck nach seiner Satzung in der Förderung von künstlerischen und gestalterischen Berufen besteht. In dem Mietvertrag vom 4. Mai 1990 wurde dem Verein gestattet, die Räumlichkeiten zu Wohnzwecken, als Design-Werkstätten und zu Ausstellungszwecken zu nutzen; zudem wurde ihm die Erlaubnis zur Untervermietung erteilt. Die Parteien des Mietvertrages waren sich beim Vertragsschluss darüber einig, dass die Räumlichkeiten des Gebäudes für Wohnzwecke nicht sofort geeignet waren. Der D. e.V. verpflichtete sich deshalb, die organisatorische Bauleitung zur Instandsetzung der Wohnräume zu übernehmen.

Die Klägerin zu 3 erwarb im Jahre 1995 das Grundstück und setzte das Mietverhältnis mit dem D. e.V. fort. Das Mietverhältnis ist inzwischen beendet und der D. e.V. aufgrund des Urteils des Landgerichts Berlin vom 2. Januar 2001 rechtskräftig zur Herausgabe der Räume verurteilt worden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Räumungs- und Herausgabeanspruch weiter.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe aus § 556 Abs. 3 a.F. BGB, § 985 BGB. Die Klägerin sei in das Mietverhältnis zwischen dem D. e.V. und der Beklagten eingetreten und daher verpflichtet, dieser weiterhin die Räume zu überlassen. Allerdings liege eine gewerbliche Weitervermietung im Sinne des § 549 a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht vor. Das Mietverhältnis zwischen dem D. e.V. und der Rechtsvorgängerin der Klägerin, in welche diese nach § 571 Abs. 1 BGB eingetreten sei, stelle sich zwar als Geschäftsraummiete dar. Eine nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht des D. e.V. habe die insoweit darlegungspflichtige Beklagte aber nicht schlüssig vorgetragen. Gleichwohl sei der Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin, die sich allein auf die Beendigung des Hauptmietverhältnisses mit dem D. e.V. berufe, ohne Kündigungsgründe gegenüber der Beklagten geltend zu machen, nicht gerechtfertigt. Unter Beachtung von Art. 3 GG könne dem Endmieter der Kündigungsschutz nur dann versagt werden, wenn dies durch eine besondere Interessenlage gerechtfertigt sei. Der Klägerin sei es aber nicht unzumutbar, auch bei Ausfall des D. e.V. als Zwischenvermieter an einem Mietverhältnis mit dem von diesem ausgewählten Personenkreis festgehalten zu werden. Es sei nicht anzunehmen, dass sie das Mietverhältnis mit den Endmietern ohne Einschaltung des Zwischenmieters nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätte.


II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe gemäß § 556 Abs. 3 a.F. (jetzt § 546 Abs. 2), § 985 BGB verneint.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine unmittelbare Anwendbarkeit von § 549 a Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 565 Abs. 1 Satz 1), der einen Eintritt des "Endmieters" in den Mietvertrag des Vermieters mit dem Zwischenmieter anordnet, dann ausscheidet, wenn es sich bei dem Zwischenmieter wie hier um einen gemeinnützigen Verein handelt, dessen ideeller Zweck die Förderung von künstlerischen, gestaltenden Berufen ist. Nach dem Wortlaut des § 549 a BGB a.F. findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn der Zwischenmieter den Wohnraum gewerblich weitervermietet. Der Gesetzgeber wollte allein den Fall der gewerblichen Weitervermietung im Sinne einer geschäftsmäßigen, auf Dauer gerichteten, mit der Absicht der Gewinnerzielung oder im eigenen wirtschaftlichen Interesse ausgeübten Vermietungstätigkeit des Zwischenvermieters regeln. Durch die Einfügung des § 549 a BGB a.F. sollten ausschließlich die mietrechtlichen Konsequenzen der zum Bauherrenmodell ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1991 (BVerfGE 84, 197 = NJW 1991, 2272) klargestellt werden, nach welcher auch einem Mieter, der Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenmieter gemietet hat, aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG der Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts zusteht (BGHZ 133, 142, 148 f. m.w.Nachw.).

2. Offenbleiben kann die Frage, ob § 549 a BGB a.F. im vorliegenden Fall analog anzuwenden ist mit der Folge, dass die Klägerin in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag der Beklagten mit dem D. e.V. eingetreten ist, die Beklagte nicht als "Dritte" im Sinne des § 556 BGB a.F. anzusehen ist und diese dadurch als Mieterin der Klägerin den gesetzlichen Kündigungsschutz genießt. Auch wenn eine analoge Anwendung des § 549 a BGB a.F., von der das Berufungsgericht ausgeht und für die sachliche Gründe sprechen, deshalb abzulehnen sein sollte, weil der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift allein die gewerbliche Zwischenvermietung regeln wollte (für eine analoge Anwendung Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 549 a Rdnr. 13 und 14 m.w.Nachw.; a.A. Staudinger/Heintzmann, BGB, Schuldrecht III/1, Stand: Frühjahr 1997, § 549 a Rdnr. 4; MünchKomm-Voelskow, BGB, 3. Aufl., § 549 a Rdnr. 6), bleibt die Revision ohne Erfolg. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung des Mieters, der Wohnraum nicht unmittelbar vom Eigentümer gemietet hat, sondern von einem gewerblichen Zwischenvermieter (Beschluss des BVerfG vom 11. Juni 1991 aaO) ist im vorliegenden Fall ein Herausgabeanspruch der Klägerin gemäß § 556 Abs. 3 BGB a.F., § 985 BGB durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) jedenfalls dahin eingeschränkt, dass die Beklagte sich auf die Kündigungsvorschriften des Wohnraummietrechts gegenüber der Klägerin berufen kann. Zu Recht stellt das Berufungsgericht fest, dass die Interessenlage der an dem gestuften Mietverhältnis hier Beteiligten den Fällen der gewerblichen Zwischenvermietung vergleichbar ist.

Wie bei der gewerblichen Zwischenvermietung hat die Beklagte hier eine vollständige Wohnung von einem Vermieter gemietet, der sie selbst nicht als Wohnung nutzen will, sondern von vornherein im Einverständnis des Vermieters eine Weitervermietung vorgesehen hatte. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, dass das Schutzbedürfnis der von der Kündigung betroffenen Personengruppe - Künstler, die als Mitglieder des D. e.V. und künftige Mieter zur Instandsetzung des Baukörpers und der Wohnungen beigetragen hatten, sowie deren Rechtsnachfolger - nicht geringer ist als das Schutzbedürfnis derjenigen Mieter, für die der Kündigungsschutz des sozialen Mietrechts gilt. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist eine Ungleichbehandlung dieser Personengruppe nicht durch ein entgegenstehendes Interesse der Klägerin gerechtfertigt, das gegen die Interessen der Beklagten abzuwägen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 1994 - I BvR 2195/93, NJW 1994, 848; BVerfG, Beschluss vom 6. August 1993 - I BvR 596/93, NJW 1993, 2600; BGHZ 133, 142, 152). Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 bestand ein Interesse daran, dass die Räumlichkeiten für Wohnzwecke durch Instandsetzung hergerichtet und dem allgemeinen Wohnungsmarkt zugänglich gemacht wurden, wozu sich der D. e.V. gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 3 vertraglich verpflichtet hatte. Die Wohnungen sollten keinem besonderen Personenkreis zur Verfügung gestellt werden, an den die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Räume sonst nicht vermietet hätte. Sie musste deshalb nicht damit rechnen, sich bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses mit ihr nicht zumutbaren Endmietern auseinandersetzen zu müssen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie die Wohnungen zu vergleichbaren Bedingungen auch unmittelbar an die vom D. e.V. ausgewählten und von ihm akzeptierten Personen vermietet hätte. Die Beklagte darf sich deshalb gegenüber dem Herausgabeanspruch der Klägerin auf die Kündigungsvorschriften des Wohnraummietrechts berufen.

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