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Sittenwidrige Arbeitnehmerbürgschaft
Ein 1991 in den neuen Bundesländern gegründetes Bauunternehmen kam bereits nach kürzester Zeit in finanzielle Schwierigkeiten und bat daher seine Bank um einen kurzfristigen Kontokorrentkredit von 200.000 DM. Das Geldinstitut war hierzu nur gegen ausreichende Sicherheiten bereit. Mehrere Arbeitnehmer, darunter ein Bauleiter des Unternehmens mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.222,70 DM, erklärten sich daraufhin bereit, eine Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 200.000 DM zu übernehmen. Der Kredit war bereits im Jahr 1992 aufgebraucht. Das Bauunternehmen war zahlungsunfähig. Die Bank nahm daher den Bauleiter in Höhe eines Teilbetrages von 70.000 DM nebst Zinsen in Anspruch. Der Mitarbeiter hielt die Bürgschaft für sittenwidrig und verweigerte die Zahlung. Die Bank erhob gegen ihn Zahlungsklage.
Der Bundesgerichtshof sah die übernommene Bürgschaft als sittenwidrig und damit nichtig an. Hierbei konnte sogar offen bleiben, ob allein die krasse finanzielle Überforderung des bürgenden Arbeitnehmers zur Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages führte. Denn im konkreten Fall kamen zu der erheblichen finanziellen Überforderung des Bürgen erschwerende, der klagenden Bank zuzurechnende Umstände hinzu, die die Sittenwidrigkeit begründeten. Das Bauunternehmen als Hauptschuldner befand sich im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits in ernsten Liquiditätsschwierigkeiten. Der Arbeitnehmer, der nur über ein mäßiges Nettoeinkommen verfügte, wurde ohne Gewinnbeteiligung und ohne irgendeine Gegenleistung in einem Umfang mit dem wirtschaftlichen Risiko seines Arbeitgebers und dem Kreditrisiko belastet, der geeignet war, ihn für den Rest seines Lebens wirtschaftlich zu ruinieren. Er hatte - für die Bank erkennbar - die Bürgschaft allein aus Angst um seinen Arbeitsplatz übernommen. Dies kann nach Meinung der Bundesrichter in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vermutet werden.
Urteil des BGH vom 14.10.2003
XI ZR 121/02
Pressmitteilung des BGH