Zum Leistungsverweigerungsrecht des Mieters bei Mängeln
BGH Urteil vom 26. März 2003 Az.: XII ZR 167/01 Rechtsnormen: BGB §§ 537 a.F., 320
Zur Berücksichtigung eines Leistungsverweigerungsrechts des Mieters bei Mängeln der Mietsache.
Tatbestand:
Die Beklagte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, macht widerklagend die Räumung eines gewerblichen Mietobjektes sowie Zahlung von rückständiger Miete geltend.
Mit schriftlichem Vertrag vom 3. Dezember 1996 vermietete sie an die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis 1. Januar 2002 eine Freihalle sowie Büroräume. Die Miete samt Nebenkosten betrug monatlich 4.761 DM.
§ 7 Abs. 3 des Mietvertrages lautet:
"Die Brandschutzwand zur anschließenden Halle wird vom Vermieter
hergestellt."
§ 8 Nr. 4 lautet:
"Der Mieter kann gegenüber dem Mietzins mit einer Gegenforderung nur aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, wenn die Gegenforderung auf unbestrittenen, rechtskräftig festgestellten oder entscheidungsreifen Ansprüchen beruht. ..."
Die Beklagte errichtete die Brandschutzwand nicht. Deshalb und wegen angeblicher weiterer Mängel entrichtete die Klägerin die Miete ab Februar 1997 nur noch teilweise, ab Juli 1997 überhaupt nicht mehr. Die Beklagte erklärte danach mehrfach, zuletzt am 30. Juli 1999, die außerordentliche Kündigung und räumte Mitte September die Halle.
Die Klägerin hat Klage auf Wiedereinräumung der aus der Halle entfernten Gegenstände, die Beklagte hat Widerklage auf Räumung sowie Zahlung von 16.360 DM nebst Zinsen erhoben. Hinsichtlich der Klage haben die Parteien nach Wiedereinräumung der entfernten Gegenstände den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Auf die Widerklage der Beklagten hat das Landgericht die Klägerin zur Räumung der Freihalle sowie zur Zahlung von 16.360 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat angenommenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei gemäß § zur Herausgabe der Freihalle verpflichtet, weil das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. Juli 1999 beendet worden sei. Die auf Zahlungsverzug gestützte Kündigung sei nach § berechtigt. Die Klägerin sei in Verzug geraten. Zugunsten der Klägerin könne unterstellt werden, dass neben dem Fehlen der Brandmauer die weiter geltend gemachten - zum Teil streitigen Mängel - vorgelegen hätten. Den gravierendsten Mangel stelle die fehlende Brandschutzmauer dar. Dieser Mangel sei aber keineswegs so schwerwiegend, wie ihn die Klägerin darstelle. Sinn und Zweck der Mauer sei es nicht gewesen, die Freihalle diebstahlsicher abzuschließen. Die Halle sei konstruktionsbedingt nach den Seiten hin offen. Die Beklagten hätten sich nicht verpflichtet, die Halle abzuschließen. Es sei lediglich darum gegangen, mit der Brandschutzwand eine Abschirmung zum Nachbarmieter gegen Holzstaub herzustellen. Die teilweise fehlende Ausstattung (Briefkasten, Außenwerbeflächen, Ausschilderung, separate Stromversorgung) beeinträchtigten den Gebrauch der Mietsache allenfalls geringfügig. Das gleiche gelte für die behauptete Undichtigkeit des Daches. Ob die behauptete Entfernung von Lichtkuppeln einen Mangel darstelle, könne ohne nähere Darlegung nicht festgestellt werden. Die Minderung betrage maximal 50%. Damit ergebe sich ein Gesamtrückstand zum Zeitpunkt der Kündigung in Höhe von 61.804 DM. Die Errichtung der Brandmauer erfordere allenfalls einen Kostenaufwand von 15.000 DM. Bei Annahme eines Zurückbehaltungsrechts in Höhe des dreifachen Betrages des Kostenaufwandes habe die Klägerin somit nur 45.000 DM zurückbehalten dürfen. Selbst ein wegen der weiteren Mängel erhöhtes Zurückbehaltungsrecht übersteige den Betrag von 60.000 DM nicht. Die Klägerin habe im Zeitpunkt der Kündigung das kündigungsunschädliche Maß an Rückständen überschritten. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe den Beklagten ungekürzt zu. Die Beklagten machten ohnehin nur die Hälfte des Mietzinses geltend. Ein weitergehendes Recht aus § bestehe nach der wirksamen Kündigung des Mietvertrages nicht mehr.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts, die behaupteten Mängel führten allenfalls zu einer Minderung um 50%. Das Oberlandesgericht hat seine Feststellung, Sinn der Mauer sei es nicht gewesen, die Halle diebstahlsicher abzuschließen, sondern eine Abschirmung zum Nachbarmieter herzustellen, unter Verstoß gegen das Verfahrensrecht (§ 286 ZPO) getroffen. Die Klägerin hatte vorgetragen und unter Beweis gestellt, bereits bei Vertragsschluss sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass die Brandmauer eine Abgeschlossenheit der Halle habe herbeiführen sollen. Absprachegemäß hätten die Beklagten die Brandschutzmauer an der Nordseite der Halle auf eigene Kosten errichten sollen, während es Aufgabe der Klägerin gewesen sei, die Südwand zu verkleiden und die Öffnungen an den Giebelseiten Ost und West durch Rolltore zu verschließen. Die Klägerin habe von Anfang an klargemacht, dass die Halle diebstahlsicher gemacht werden müsse, weil sie dort wertvolle Baumaschinen habe lagern wollen.
Die Revision rügt zu recht, dass das Oberlandesgericht den angebotenen Zeugen hätte vernehmen müssen. Sollte die Mauer dazu dienen, die Halle diebstahlsicher zu machen, so wäre die Halle ohne Mauer für den vereinbarten Zweck unbrauchbar, zumindest aber nur sehr eingeschränkt brauchbar. Die Annahme, es komme nur eine 50 %ige Minderung in Frage, wäre nicht haltbar.
3. Der Senat ist nicht in der Lage abschließend zu entscheiden. Der Rechtsstreit muss an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die erforderlichen Feststellungen verfahrensfehlerfrei nachholt.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Halle zum vertragsgemäßen Gebrauch völlig unbrauchbar ist, entfällt der Zahlungsanspruch. Auch der Räumungsanspruch ist dann - mangels wirksamer Kündigung - nicht gegeben. Verbleibt ein Mietrückstand, könnte das die Kündigung nach § a.F. rechtfertigen. Dann käme es auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § an. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts erstreckt sich der Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten in § 8 Nr. 4 des Mietvertrages zwar auch auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 515, 520; BGH, Urteil vom 15. März 1972 - VII ZR 12/71 - DB 1972, 86
. Die Klausel des Mietvertrages lässt ein Zurückbehaltungsrecht wegen unbestrittener Forderungen aber unberührt. Da der Anspruch auf Herstellung der Brandmauer hier unstreitig ist, hat das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des § im Ergebnis zutreffend bejaht.
Grundsätzlich gewährt § ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem gesamten Mietzinsanspruch. Allerdings kann der Mieter gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn er es in vollem Umfang geltend macht. Was als angemessen zu gelten hat, ist in erster Linie eine Frage des tatrichterlichen Ermessens und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In der Literatur wird zum Teil auf das Drei- bis Fünffache des Minderungsbetrages oder des jeweils zur Reparatur erforderlichen Betrages abgestellt (vgl. hierzu Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. § 537 Rdn. 81; Joachim DB 1986, 2649 f.). Ein Zurückbehaltungsrecht nur in dieser Höhe mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn dem Mieter zuzumuten ist, die Reparatur - nach erfolgloser Fristsetzung - selbst auszuführen. Die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts in dreifacher Höhe der Herstellungskosten ist in einem Fall wie hier, in dem sich der Vermieter zur Erstellung einer Mauer verpflichtet hat, jedenfalls nicht übersetzt und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat die Kosten für die Errichtung der Mauer gemäß § 287 ZPO geschätzt. Eine solche Schätzung unterliegt in der Revision nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Zur Ermöglichung der Überprüfung muss der Tatrichter aber die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung darlegen (BGHZ 6, 62, 63). Das Berufungsgericht hat nicht zu erkennen gegeben, wie es auf Baukosten in Höhe von 15.000 DM gekommen ist.