BGH 2003-01-31 Zum Zustandekommen eines Mietvertrages bei Errichtung eines Wohngebäudes mit Mitteln des späteren Nutzers
BGH Urteil vom 31. Januar 2003 Az.: V ZR 333/01 Rechtsnormen: BGB §§ 133 C
Ist der "nicht abgewohnte" Teil eines zur Errichtung eines Wohngebäudes zur Verfügung gestellten Betrags dem Zahlenden beim Auszug zu erstatten, kommt zwischen ihm und dem Zahlungsempfänger ein Mietvertrag zustande; die Höhe des Mietzinses kann durch das Gericht in ergänzender Vertragsauslegung oder analog §§ 612 Abs. 2, bestimmt werden (im Anschluss an Senatsurt. v. 20. Juni 1997, V ZR 39/96, NJW 1997, 2671).
Tatbestand:
Die Parteien sind Schwestern. Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks W. Straße in S. . Im Jahre 1980 wurde ein Anbau errichtet, in dem die Beklagte seither wohnt. Die Beklagte stellte hierfür mindestens 115.000 DM zur Verfügung. Für den Betrag hat sie ein Darlehen aufgenommen, das zu Lasten des Hausgrundstücks gesichert ist.
Die Klägerin, die am 7. Dezember 1995 unter hilfsweiser Kündigung eines etwa bestehenden Nutzungsverhältnisses die Räumung des Anwesens verlangte, hat behauptet, beim Einzug in den Anbau sei der Beklagten zugesagt worden, sie könne jederzeit ausziehen, der investierte Betrag in Höhe des Kredits abzüglich des zwischenzeitlich abgewohnten Betrages werde ihr dann ausgezahlt. In jedem Falle habe die Nutzung durch die Beklagte enden sollen, wenn die Kinder der Klägerin den Anbau beziehen wollten oder der investierte Betrag abgewohnt sei. Beides sei der Fall.
Das Landgericht hat die auf Räumung und Herausgabe gerichtete Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr Zug um Zug gegen Zahlung von 253.500 DM stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie den Zug-um-Zug-Vorbehalt bekämpft. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, dem auf § gestützten Anspruch der Klägerin stehe ein Recht der Beklagten zum Besitz nicht entgegen. Ein Mietvertrag sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, denn (der Klagevortrag und) die Bekundung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Zeugen, die Beklagte habe als Gegenleistung für das Recht, den Anbau bewohnen zu dürfen, dessen Finanzierung übernommen, reiche nicht für eine entgeltliche Nutzung. Es fehle die Bestimmung der Höhe des Entgelts. Die Bekundung des Ehemannes, die beim Auszug nicht abgewohnte Gegenleistung habe zurückerstattet werden sollen, sei zu allgemein. Sie könne auch dahin verstanden werden, die Beklagte solle beim Auszug dafür entschädigt werden, dass sie den Anbau finanziert habe. Es sei daher von einer Leihe auszugehen, die die Klägerin wirksam wegen Eigenbedarfs (§ 605 Nr. ) gekündigt habe. Der Beklagten stehe ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs auf Herausgabe des Wertzuwachses zu, den das Grundstück durch den Anbau erfahren habe. Er belaufe sich nach dem eingeholten Gutachten unter Berücksichtigung eines vom Ehemann der Klägerin erbrachten Beitrags von 4.500 DM auf 253.000 DM.
Dies hält, soweit die Sache dem Senat angefallen ist, der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
II.
1. Das Berufungsgericht verkennt, dass es sich bei dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrag um ein Mietverhältnis gehandelt hat, und sieht deshalb zu Unrecht davon ab, den der Beklagten wegen der aufgewandten Mittel zustehenden Gegenanspruch (unten zu 2) um den Mietzins zu kürzen.
a) Der Umstand, dass der Revisionsinstanz lediglich die Entscheidung über das von der Beklagten hilfsweise (zum Antrag auf Klageabweisung wegen Bestehens eines Wohnrechts auf Lebenszeit) ausgeübte Zurückbehaltungsrecht (§ ) angefallen (§ 559 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 7 EGZPO) und hinsichtlich der Räumung und Herausgabe zwischenzeitlich Rechtskraft eingetreten ist (§ 556 ZPO a.F.), hindert den Senat nicht daran, das Vertragsverhältnis der Parteien abweichend vom Berufungsgericht zu beurteilen. Die Bewertung als Leihe gab dem Berufungsgericht zwar Anlass, das Besitzrecht der Beklagten als durch Kündigung beendet anzusehen (§ ) und deshalb dem Herausgabe- (§ ) und Räumungsanspruch (§ , vom Berufungsgericht nicht eigens erwähnt) stattzugeben. Die Rechtskraft erfasst indessen nur die zuerkannten Ansprüche, nicht dagegen die Leihe und deren wirksame Kündigung als vorgreifliches Rechtsverhältnis (§ 322 ZPO).
b) Nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin und der Aussage ihres verstorbenen Ehemanns als Zeugen, von denen revisionsrechtlich auszugehen ist, ist zwischen den Parteien ein Mietvertrag zustande gekommen. Die abweichende Würdigung des Oberlandesgerichts ist fehlerhaft, weil sie die rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Mietverhältnisses verkennt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht im Hinblick darauf, dass es an der Vereinbarung über den zu entrichtenden Mietzins (§ ) fehle, davon ausgegangen werden, dass ein unentgeltliches Geschäft, Leihe (§ ), vorliege. Die nach der Bekundung des Zeugen für das Recht, den Anbau zu bewohnen, zu erbringende Gegenleistung ist, was für die Vereinbarung eines Mietzinses genügt, bestimmbar (allg. Meinung; statt aller Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 535 Rn. 74). Der bei Auszug der Beklagten nicht abgewohnte Teil der auf die Baukosten entrichteten Geldleistung ist allerdings weder beziffert noch in dem Sinne bestimmbar gemacht, dass die Parteien ausdrücklich auf die übliche oder angemessene Miete abgestellt hätten. Die Vereinbarung des üblichen Mietzinses ergibt sich indessen, wozu der Senat angesichts der abgeschlossenen Tatsachenfeststellungen in der Lage ist (BGHZ 65, 107, 112), bei sachgerechter Auslegung (§§ 133, ) schlüssig aus dem Erklärten und dessen Hintergrund. Anlass zu einem erhöhten oder gegenüber dem Angemessenen herabgesetzten Entgelt bestand nicht. Der Anbau und der Einzug der Beklagten erfolgten im beiderseitigen Interesse; die Beklagte hatte ein weiteres Grundstück zur Erweiterung des Gastbetriebs der Klägerin freigemacht, anstelle der nicht möglichen Parzellierung des Hausgrundstücks erlaubte die Klägerin den Anbau mit den Mitteln der Beklagten. Eine Alimentation der einen oder anderen Seite aus verwandtschaftlichen Gründen lag außerhalb der Absichten der Parteien. Selbst wenn die Parteien indessen die Höhe des Entgelts offen gelassen hätten, würde dies nichts an der Vereinbarung der Entgeltlichkeit ändern. Sie kommt in dem von dem Zeugen bekundeten Gegenseitigkeitsverhältnis der Leistungen unwiderlegbar zum Ausdruck. Die Auffassung des Berufungsgerichts, denkbar sei auch, dass die Beklagte mit dem vollen Wertzuwachs des Grundstücks zu entschädigen sei, ist mit der Abrede, (nur) der nicht abgewohnte Betrag sei zu erstatten, unvereinbar. Ist die Entgelthöhe offen gelassen, gleichwohl aber eine Bindung gewollt, so ist die Lücke entweder über eine ergänzende Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung der §§ 612 Abs. 2, zu schließen; dies führt zum angemessenen oder ortsüblichen Mietzins (Senat, Urt. vom 20. Juni 1997, V ZR 39/96, NJW 1997, 2671 f; BGH, Urt. v. 3. Juli 2002, XII ZR 39/00, NJW 2002, 3016, 301
. Nach den hier gegebenen Umständen kommt eine Bestimmung der Zinshöhe nach billigem Ermessen einer Seite (§ ) nicht in Betracht. Sie ist vielmehr unmittelbar durch das Gericht, das sich hierbei sachkundiger Hilfe bedienen kann, zu bestimmen.
2. Das Berufungsgericht verkennt weiter, dass die Klägerin nach der Vereinbarung der Parteien nicht den durch den Anbau bedingten Wertzuwachs des Grundstücks herauszugeben, sondern den nicht abgewohnten Teil der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Mittel zurückzuerstatten hat. Ob die Geldleistung der Beklagten als Mietvorauszahlung oder als Mieterdarlehen zu bewerten ist, kann im Ergebnis offen bleiben, denn in beiden Fällen ist sie nach § 547 Abs. 1 Satz 1, Abs. verzinslich; ein "echtes", mithin bezugslos zur Miete gegebenes Darlehen, für das die Vorschrift nicht gilt (BGH, Urt. v. 11. März 1970, VIII ZR 96/68, LM BGB § 557 a Nr. 2), kommt hier nicht in Frage. Der gesetzliche Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Mieters (§ ) ist, was zulässig war (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § Rdn. 96 m.w.N.), abbedungen. Der Vorschrift liegt die Vorstellung zugrunde, dass die durch das Zurückbehaltungsrecht gewährte Sicherheit außer Verhältnis zu den Ansprüchen des Mieters steht. Dies steht im Gegensatz zu den hier vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen, der Errichtung des Baus (im wesentlichen) aus Mitteln des Mieters, und dem darauf aufbauenden schlüssigen und interessegerechten Vertragswillen der Beteiligten.
3. Nach Zurückverweisung der Sache hat das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Mittel (diese gibt "mehr als 300.000 DM" an) und zur angemessenen oder ortsüblichen Miete während der Dauer der Wohnnutzung der Beklagten zu treffen. Der vom Berufungsgericht beigezogene Sachverständige hat, entsprechend seiner Aufgabe, die Wertsteigerung festzustellen, den auf der Grundlage der gegenwärtigen Verhältnisse nachhaltig erzielbaren Mietzins (13.680 DM jährlich) ermittelt. Zur Bestimmung der Höhe des Gegenrechts der Beklagten ist aber die ab 1980 erzielbare Miete festzustellen. Auf die Wertsteigerung des Grundstücks könnte es nur dann ankommen, wenn, abweichend von den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts, davon auszugehen wäre, dass die Beklagte den Anbau erstellt hätte und dieser ihr wirtschaftlich als Eigentum zuzurechnen wäre. Allerdings wäre, da die Bebauung mit Rechtsgrund erfolgte, nicht § anwendbar. Der Anspruch auf Erstattung des durch die Miete nicht "abgewohnten" Wertzuwachses des Grundstücks erwüchse aus der Abrede der Parteien.