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Bürgschaften und andere Sicherungsrechte
Bürgschaften auf erstes Anfordern waren zuletzt häufig Thema beim BGH. In diesem Fall ging es um die Klage auf Herausgabe einer Bürgschaft auf erstes Anfordern und der BGH hat festgestellt, daß der Auftraggeber nicht verpflichtet ist, die Bürgschaft an den Auftragnehmer herauszugeben, wenn der Bürge dem Auftraggeber eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gestellt hat, obwohl der Auftraggeber aufgrund der Sicherungsvereinbarung nur einen Anspruch auf eine selbstschuldnerische Bürgschaft ohne die Bürgschaftsverpflichtung auf erstes Anfordern hat.
Der Auftraggeber muß sich allerdings gegenüber dem Auftragnehmer und dem Bürgen schriftlich verpflichten, die Bürgschaft nicht auf erstes Anfordern, sondern nur als selbstschuldnerische Bürgschaft geltend zu machen. Die Entscheidung betraf eine Gewährleistungsbürgschaft, ihre Grundsätze sind auf alle Bürgschaften anwendbar, die als Sicherungsmittel in einem Bauvertrag vereinbart werden. Von aktueller Bedeutung sind die Grundsätze dieser Entscheidung für alle Altfälle, in denen die Sicherungsvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers vorsieht, daß der Auftragnehmer zur Sicherung von Vertragserfüllungsansprüchen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen hat.
Eine derartige Sicherungsvereinbarung ist unwirksam. Verträge, die vor dem Bekanntwerden dieser Entscheidung abgeschlossen worden sind, werden dahingehend ergänzt, daß der Auftragnehmer eine unbefristete, selbstschuldnerische Erfüllungsbürgschaft schuldet. Soweit der Auftragnehmer in einem derartigen Fall eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gestellt hat, kann er von dem Auftraggeber nur die genannte Verpflichtungserklärung verlangen, nicht hingegen die Herausgabe der Bürgschaft.
BGH Urteil vom 10.04.2003 - VII ZR 314/01
Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ist zu viel
Hat der Bürge dem Gläubiger eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gestellt, obwohl der Gläubiger aufgrund der Sicherungsvereinbarung nur einen Anspruch auf eine selbstschuldnerische Bürgschaft ohne die Bürgschaftsverpflichtung auf erstes Anfordern hat, ist der Gläubiger nicht verpflichtet, die Bürgschaft an den Sicherungsgeber herauszugeben. Er muß sich jedoch gegenüber dem Sicherungsgeber und dem Bürgen schriftlich verpflichten, die Bürgschaft nicht auf erstes Anfordern, sondern nur als selbstschuldnerische Bürgschaft geltend zu machen.
Die Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages
"Zahlungen auf Schlußrechnungen werden bis zu 95 % des Nettowertes geleistet. Der Rest ist durch eine kostenlose und befristete Gewährleistungsbürgschaft (Vorgabe der Befristung durch den AG) ablösbar"
ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
Tatbestand:
In dem Nachunternehmervertrag der Parteien ..., der u.a. die Geltung der VOB/B vorsieht, ist die Gewährleistungssicherheit wie folgt geregelt:
"Zahlungen auf Schlußrechnungen werden bis zu 95 % des Nettowertes geleistet. Der Rest ist durch eine kostenlose und befristete Gewährleistungsbürgschaft (Vorgabe der Befristung durch den AG) ablösbar." ...
Auf Wunsch der Klägerin übersandte die Beklagte unter anderem ein Formular als Muster für eine Bürgschaft, das eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern vorsah. Die Klägerin stellte der Beklagten sechs Bürgschaften ihrer italienischen Bank, die dem von der Beklagten übersandten Muster entsprachen. Die Parteien streiten darüber, ob sie die Sicherungsvereinbarung des Nachunternehmervertrages vom 18. Februar 1994 nachträglich konkludent dahingehend geändert haben, daß die Klägerin verpflichtet war, Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern zu stellen.
Die Bürgschaft, die die Klägerin in diesem Verfahren herausverlangt, lautet unter anderem wie folgt:
"Gemäß Nachunternehmer-Vertrag hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme zu stellen.
Dies vorausgeschickt, übernehmen wir hiermit für den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft für die vertragsgemäße Verpflichtung aus Mängelgewährleistung bis zum Höchstbetrag von ... unter Verzicht auf Einrede der Anfechtung, Aufrechnung, Vorausklage und Vorausbefriedigung (§§ 770, 771, ) mit der Maßgabe, dass wir aus dieser Bürgschaft nur auf Zahlung von Geld in Anspruch genommen werden können. Wir verpflichten uns, den vorgenannten Betrag auf erste schriftliche Anforderung an den Auftraggeber zu überweisen. Wir sind nicht berechtigt, uns durch Hinterlegung des Betrages zum Zwecke der Sicherheitsleistung von den Verpflichtungen aus dieser Bürgschaft zu befreien..." ...
Entscheidungsgründe:
... Der Senat kann nicht abschließend über die Klage entscheiden, weil das Berufungsgericht zwar in seiner die Entscheidung nicht tragenden Beurteilung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ausgegangen ist, dazu aber keine Feststellungen getroffen hat.
a) Sollte die Sicherungsabrede in Nr. 8 des Nachunternehmervertrags individuell vereinbart worden sein, wäre die Klage auf Herausgabe unbegründet. Die Klägerin könnte jedoch verlangen, daß sich die Beklagte ihr gegenüber und gegenüber der Bürgin schriftlich verpflichtet, sie werde die Bürgin nicht auf erstes Anfordern, sondern nur aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch nehmen.
aa) Nach der Sicherungsvereinbarung hat die Beklagte einen Anspruch auf eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft (§ 17 Nr. 4 VOB/B) nach deutschem materiellem Recht.
(1) Die der Beklagten gestellte Bürgschaft ist eine Gewährleistungsbürgschaft nach deutschem Recht. Auf den Bürgschaftsvertrag zwischen der Bürgin und der Beklagten ist das deutsche materielle Recht anwendbar.
Das für die Bürgschaft einer Bank mit Sitz im Ausland maßgebliche Recht bestimmt sich nach dem deutschen internationalen Schuldvertragsrecht ... Eine ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung zugunsten des deutschen Rechts haben die Vertragsparteien des Bürgschaftsvertrages nicht getroffen. Das deutsche materielle Bürgschaftsrecht ist für das Bürgschaftsverhältnis berufen, weil die Vertragsparteien das deutsche materielle Recht konkludent gemäß Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB vereinbart haben. Der Text der Bürgschaftsurkunde enthält hinreichende Anhaltspunkte für die konkludente Wahl des deutschen Rechts. Der Text der Urkunde ist orientiert an dem deutschen Bürgschaftsrecht, es enthält die Rechtsbegriffe des deutschen Rechts und nennt Regelungen des deutschen Bürgschaftsrechts.
(2) Die der Beklagten tatsächlich gestellte Bürgschaft ist eine selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern. Diese Bürgschaft entspricht nur insoweit nicht der Sicherungsvereinbarung, als sie der Beklagten als Gläubigerin des Bürgschaftsvertrages das Recht auf erstes Anfordern einräumt. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist kein Sicherungsmittel eigener Art, sondern lediglich eine besondere Form der Bürgschaftsverpflichtung, die den Gläubiger privilegiert ...
Stellt der Bürge dem Gläubiger eine selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern, obwohl der Gläubiger als Sicherungsnehmer aufgrund der Sicherungsvereinbarung mit dem Sicherungsgeber die selbstschuldnerische Bürgschaft nicht in der ihn privilegierenden Form hätte verlangen können, ist der Bürge im Zweifel dem Gläubiger aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft verpflichtet ...
(3) Mit der Bürgschaft hat die Klägerin die von ihr aufgrund der Sicherungsvereinbarung nach materiellem Bürgschaftsrecht geschuldete Bürgschaft gestellt, die lediglich hinsichtlich der den Gläubiger privilegierenden Form nicht geschuldet war. Nur diese Privilegierung durch die Verpflichtung der Bürgin, auf erstes Anfordern zu zahlen, steht der Beklagten aufgrund der Sicherungsvereinbarung nicht zu. Die Sicherungsvereinbarung berechtigt die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht, das ihr in der Bürgschaft eingeräumte Recht auf erstes Anfordern gegenüber der Bürgin geltend zu machen. Sie kann die Bürgin, soweit die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs gegeben sind, aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch nehmen.
bb) Da durch die gestellte Bürgschaft das Risiko begründet ist, daß die Beklagte die Bürgin auf erstes Anfordern in Anspruch nimmt, kann die Klägerin von der Beklagten verlangen, daß sie sich ihr und der Bürgin gegenüber schriftlich verpflichtet, daß sie die Bürgschaft nicht auf erstes Anfordern, sondern nur als selbstschuldnerische Bürgschaft geltend machen wird.
Mit den schriftlichen Erklärungen ist dem Interesse der Klägerin daran, daß die Bürgschaft nicht auf erstes Anfordern in Anspruch genommen wird, ausreichend Rechnung getragen. Nach dem Empfang der Erklärung darf die Bürgin, auch mit Rücksicht auf die vertragliche Verpflichtung gegenüber der Klägerin, nicht mehr auf erstes Anfordern auszahlen.
e) Sollte die Sicherungsabrede nach Nr. 8 des Nachunternehmervertrages eine von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung sein, so würde diese einer Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG nicht standhalten.
Die Sicherungsvereinbarung sieht einen Einbehalt von 5 % von dem Nettobetrag der Schlußrechnungen vor. Der Zeitraum für den Einbehalt ist nicht geregelt. Dem Auftragnehmer ist lediglich das Recht eingeräumt, den Bareinbehalt durch eine befristete Gewährleistungsbürgschaft abzulösen. Die Befristung soll nach Vorgabe des Auftraggebers erfolgen.
Diese Vertragsklausel ist unangemessen. Sie ermöglicht dem Auftraggeber, die Bürgschaft nach seinem Belieben zu befristen. Für eine Begrenzung des Bestimmungsrechts auf die Dauer der Gewährleistungsfrist gibt die Klausel nichts her. Wäre dies gewollt gewesen, hätte dies zum Ausdruck gebracht werden müssen.