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Beseitigungsanspruch nach WEG nur gegen Handlungsstörer

BGH

Az.: 16 Wx 299/97

Urteil vom 21.01.1998

Vorinstanzen:

OLG Köln- Az.: 16 Wx 299/97 - Beschl. v. 21.1.1998

LG Köln – Az.: 29 T 158/97

AG Köln - Az.: 202 II 338/95

Leitsatz:

Weicht die tatsächliche Bauausführung vom Aufteilungsplan in der Weise ab, daß Bauteile vom Sondereigentum auf das Gemeinschaftseigentum übergreifen, so sind die Bestimmungen über den entschuldigten oder den erlaubten Überbau (§§ 912 ff BGB) grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar.

Der Anspruch auf Beseitigung baulicher Übergriffe auf das Gemeinschaftseigentum richtet sich gegen denjenigen Wohnungseigentümer, dem die bauliche Veränderung als Handlung zuzurechnen ist. Ein späterer Erwerber haftet nicht als Zustandsstörer.

Vielmehr ist insoweit die Gemeinschaft als ganze zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands verpflichtet.

Normen: §§ 912ff., 1004 BGB, §§ 14, 15, 22 WEG

Aus den Gründen:

... Das Landgericht geht davon aus, daß ein etwaiger Anspruch der Beteiligten zu 2) bis 4) auf Beseitigung des rechten Garagenbauteils und Abmauerung bzw. Errichtung einer Wand zwischen dem Sondereigentum des Beteiligten zu 1) und dem Gemeinschaftseigentum gemäß § 242 BGB infolge jahrelanger Duldung jedenfalls verwirkt sei.

Die Entscheidung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

Eine Haftung des Beteiligten zu 1) wegen der planwidrigen Bauausführung des streitigen Gebäudeteils auf Beseitigung und Herstellung der Abmauerung bzw. Wand ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt herzuleiten, so daß sich eine Erörterung und Prüfung der vom Landgericht bejahten Frage erübrigt, ob eine Verwirkung angenommen werden kann im Hinblick auf eine jahrelange Duldung der vom Aufteilungsplan abweichenden äußeren Gestaltung des Garagenteils (vgl. zur Verwirkung: BayObLG WuM 1997, 189 und NJW-RR 1991, 1041; KG NJW-RR 1989, 976; OLG Hamm OLGZ 90,159 = NJW-RR 1991, 910).

a) Der streitige Garagenteil gehört zwar nicht schon zum Sondereigentum der Wohnung des Beteiligten zu 1), auch wenn im bei der Begründung des Wohnungseigentums vorliegenden Aufteilungsplan der Gebäudeteil "Abstell" mit der Nummer 0 - als Hinweis auf zur Wohnung des Beteiligten zu 1) gehörendes Sondereigentum - versehen ist. Er ist vielmehr, da im Vertrag zur Begründung von Sondereigentum (§ 3 WEG) dieser nicht auch als zur Wohnung des Beteiligten zu 1) gehörendes Sondereigentum ausgewiesen (§ 5 WEG) ist G Gemeinschaftseigentum aller Wohnungseigentümer . Es ist allgemein WEG) oder in der Teilungserklärung (§ 8 WEG) und die Angaben im Aufteilungsplan nicht übereinstimmen, grundsätzlich keiner der sich widersprechenden Erklärungsinhalte vorrangig ist, mit der Folge, daß der hier bestehende und auch nicht im Wege der Auslegung ausräumbare Widerspruch zwischen dem Vertrag über die Einräumung von Sondereigentum und dem in Bezug genommenen Aufteilungsplan bewirkt, daß hinsichtlich des betroffenen Gebäudeteils entsprechend der allgemeinen Regel gemäß § I Abs. 5 WEG Gemeinschaftseigentum vorliegt (vgl. BGH NJW 1995, 2851, 2853 m w.N.; OLG Köln NJW-RR 1993, 204; OLG Frankfurt OLGZ 93, 299, 301).

Daran ändert nichts, daß der Rechtsvorgänger des Beteiligten zu 1) im Rahmen der Errichtung der Wohnanlage über die gesamte Breite des Grundstücks abweichend vom Aufteilungsplan den Gebäudeteil "Abstell" als weitere Garage und mithin einen geschlossenen "Garagentrakt" über die gesamte Breite des Grundstücks gebaut hatte, und auf diese Weise dieser Gebäudeteil tatsächlich in das Wohnungseigentum des Beteiligten zu 1) einbezogen worden ist. Der Senat teilt die Ansicht, daß bei dieser Form der Abweichung der tatsächlichen Bauausführung von dem Aufteilungsplan an gemeinschaftlichen Bauteilen nicht entsprechend den Bestimmungen über den entschuldigten oder den erlaubten Oberbau (§§ 912 ff BGB) kraft Gesetzes Sondereigentum entstehen kann. Die gesetzlichen Vorschriften zum Oberbau sind insoweit grundsätzlich nicht entsprechend anwendbar (vgl. BayObLG ZMR 1993,423; Bärmann/Pick WEG § 7 Rn. 67). Da der Oberbau nichts am Eigentum an den Grundstücken ändert, muß das auch für das Eigentum (Gemeinschafts- und Sondereigentum) gelten, wenn das Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt ist (BayObLG a.a.O.). Ob die entsprechende Anwendung des § 912 Abs. I BGB ausnahmsweise bejaht werden kann, wenn sie dazu führen soll, daß der das gemeinschaftliche Eigentum gutgläubig oder erlaubtermaßen in Anspruch nehmende Wohnungseigentümer sich dem Beseitigungsverlangen der übrigen Wohnungseigentümer erfolgreich widersetzen kann (so OLG Hamm OLGZ 76, 61; OLG Celle OLGZ 81, 106), kann unentschieden bleiben. Im Streitfall kann schon keine Rede davon sein, daß die planwidrige Bauausführung durch den Rechtsvorgänger des Beteiligten zu 1) mit der Erlaubnis der übrigen Wohnungseigentümer oder aber unverschuldet erfolgt wäre, auch wenn diesem, wie der Beteiligte zu 1) behauptet, die in der Bauzeichnung ursprünglich vorgesehene "Pergola" von der Stadt Köln nachträglich, und zwar am 10.2.1971 als Garage genehmigt worden sein sollte. Die eventuelle öffentlich-rechtliche Baugenehmigung könnte die bewußt planwidrige und gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern eigenmächtig vorgenommene Bauausführung nicht entschuldigen.

b) Ob die Errichtung des weiteren Garagenteils nun eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums i.S. des § 22 WEG beinhaltet, ist zweifelhaft, weil der von den Beteiligten zu 2) bis 4) beanstandete Bauzustand des Garagengebäudes von Anfang an bestanden haben könnte mit der Folge, daß die Beteiligten zu 2) bis 4) in Wahrheit nicht die Beseitigung einer baulichen Veränderung, sondern die erstmalige Herstellung eines dem Bauplan (zugleich Aufteilungsplan) entsprechenden Zustands des Garagengebäudes verlangen würden. Wird eine Eigentumswohnanlage von vornherein teilweise abweichend vom Aufteilungsplan gebaut, ist das kein Fall der (nachträglichen) Umgestaltung eines bereits vorhandenen Bauteils von § 22 Abs. I WEG (vgl. BayObLG WuM 1997, 189 und NJW-RR 1994, 276 = ZMR 1994, 176; Weitnauer/ Lüke WEG § 22 Rn. 5).

Selbst wenn indes die Errichtung des weiteren Garagenteils nicht noch als Erstherstellung der Wohnanlage, sondern als eine unzulässige bauliche Umgestaltung anzusehen wäre, kann sich der Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch nicht gegen den Beteiligten zu 1) richten, weil dieser insoweit nicht Handlungsstörer und mithin nicht passivlegitiert ist. die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen. Eine hierzu etwa erteilte öffentlich-rechtliche Baugenehmigung -wie behauptet - hat auf den Anspruch offensichtlich keinen Einfluß (vgl. Weitnauer/Lüke, WEG § 22 Rn. 1 8) . Grundlage des Anspruchs ist nicht § 22 WEG sondern § 1004 BGB bzw. § 14 Nr. I WEG oder § 823 BGB (vgl. beispielsweise BayObLG WE 1996,195; OLG Stuttgart NJW 1970, 102). Der Beseitigungsanspruch, den gemäß § 15 Abs. 3 WEG jeder einzelne Wohnungseigentümer (vgl. BayObLG a.a.O.) und ohne einen Gemeinschaftsbeschluß (vgl. BGH NJW 1992, 97 8) geltend machen kann, besteht aber immer nur gegen denjenigen Wohnungseigentümer, dem die bauliche Veränderung als Handlung zuzurechnen ist, denn eine Haftung aus Zustandsstörung ist ausgeschlossen (vgl. KG WE 1991, 324, 32 8) . Das gemeinschaftliche Eigentum steht sämtlichen Wohnungseigentümern gleichermaßen zu. Demgemäß tragen sie auch gemeinsam die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Zustand des Gemeinschaftseigentums. Der Beteiligte zu 1) hätte deshalb nur die entsprechende Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands des Gemeinschaftseigentums zu dulden, wobei deren Kosten der Gemeinschaft obliegen, soweit sie die Herstellung beschließt (KG a.a.O.). Die erstmalige dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung des Gemeinschaftseigentums gehört zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnanlage und ist die Sache aller Wohnungseigentümer (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG), d.h. die Wohnungseigentümer sind insoweit in ihrer Gesamtheit verpflichtet (vgl. BayObLG ZMR 1994, 127).

Im übrigen kann auch nicht ein Rechtsnachfolger des die bauliche Veränderung Vornehmenden gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung der baulichen Veränderung in Anspruch genommen werden, denn die Eigenschaft als Handlungsstörer geht nicht auf diesen über (vgl. Bärmann/Pick/Merle WEG § 22 Rn. 230; Weitnauer a.a.O.; KG NJW-RR 1991, 1421 = WE 1991, 32 8) . Sonach ist der Beteiligte zu 1) für das Begehren der Beteiligten zu 2) bis 4) nicht passivlegitiert, denn diesem ist die Errichtung des Garagenteils abweichend vom Aufteilungplan nicht zuzurechnen. Der Beteiligte zu 1) hat ausweislich des Wohnungsgrundbuchs von P. von seinem Bruder (R. W.), der sich im Vertrag zur Begründung des Wohnungseigentums zur Errichtung der Wohnanlage verpflichtet hatte und dem auch die vorgenannte Nachtragsbaugenehmigung erteilt worden sein soll, dessen Miteigentumsanteil mit Kaufvertrag vom 29.8.1973 erworben und ist seit dem 17.9.1974 im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen. Daß der Beteiligte zu 1) dann selbst den Garagenteil errichtet hätte, ist weder von den Beteiligten zu 2) bis 4) behauptet noch sonst ersichtlich.

Soweit mithin der Rechtsvorgänger des Beteiligten zu 1) die vom Aufteilungsplan abweichende bauliche Änderung vorgenommen hat, verpflichtet dies den Beteiligten zu 1) nicht. Dieser hat das Wohnungseigentum in einer bestimmten Baugestaltung erworben und ist nicht schon deshalb Störer i.S. der §§ 1004 Abs. 1 S. I BGB i.V.m. 15 Abs. 3 WEG, weil der Zustand des Gemeinschaftseigentums von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht (vgl. BayObLG NJW-RR 1988, 587).

Sonach können die Beteiligten zu 2) bis 4) vom Beteiligten zu 1) weder die Abmauerung und Beseitigung des Garagenteils noch die Duldung dieser Maßnahmen auf dessen Kosten verlangen. Der Zustand kann vielmehr nur auf Kosten der Gemeinschaft hergestellt werden, was hier aber von den Beteiligten zu 2) bis 4) gerade nicht verlangt wird....

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