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Dachlawinen und Ausrutscher
Kein Geld für Beulen
Dachlawine kracht auf das Auto, Fußgänger stürzt auf eisigem Boden – beides ist kein Grund für Schadenersatz.
Schnee erfreut vielleicht Kinder und Wintersportler. Doch aus der Sicht von Autofahrern und Fußgängern bringt der weiße Niederschlag vor allem Gefahren mit sich. Typisch für diese Jahreszeit sind etwa durch Dachlawinen verbeultes Blech oder bei Stürzen gebrochene Knochen. Meist suchen die Verunglückten die Schuld an den Unfällen weniger bei sich selbst als bei vermeintlich fahrlässig handelnden Mitmenschen. Doch Amtsrichter müssen die Klagenden in ihrem Wunsch nach Schadenersatz und Schmerzensgeld nur allzu oft enttäuschen.
Schneegitter reicht als Vorsorge
Ein Münchner hatte seinen Wagen an einem Winterabend ordnungsgemäß in der Parkbucht vor einem Mehrfamilienhaus geparkt. Ein Stunde später rauschte eine Schneelawine vom Hausdach und krachte auf das Auto. Von einem Sachverständigen wurde der Schaden anschließend auf rund 3000 Euro geschätzt. Diesen Betrag, plus 200 Euro Nutzungsausfall für die vier Tage dauernde Reparatur, verlangte der Autofahrer vom Hauseigentümer, einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft.
Vor dem Amtsrichter beschuldigte der Autofahrer den Hauseigentümer, die notwendige Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt zu haben. Er hätte auf jeden Fall bei dieser Witterung Warnschilder oder so genannte Schneestangen aufstellen müssen – oder im Zweifelsfall gar die Straße absperren sollen. Der Beklagte meinte dagegen, das Hausdach sei durch ein Schneefanggitter gesichert, das sei ausreichend.
Der Richter wies die Klage ab. Seit der Novellierung der Bayerischen Bauordnung 1997 seien sämtliche Vorschriften hinsichtlich der Aufstell- beziehungsweise Warnpflicht vor Schneelawinen aufgehoben. „Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Gebäudeeigentümers erstreckt sich bei schneereichen Gebieten wie München darauf, Schneefanggitter anzubringen“, stellte der Richter fest. „Diese genügen, wenn nicht über den gewöhnlichen Umfang hinausgehende Verkehrsgefährdungen zu befürchten sind.“
Urteil der Richter: Jeder ist für sich verantwortlich
Warnschilder seien auch gar nicht geeignet, den Verkehr zu sichern: Der Autofahrer müsste sie ja erst einmal lesen; doch träfe ihn zuvor die Dachlawine, hätte nach dieser Logik der Hauseigentümer zu haften – es könne vernünftigerweise aber keinen Unterschied machen, ob den Fahrer die Lawine vor oder nach dem Lesen treffe. Schneestangen hätte bestenfalls Einfluss nur auf Fußgänger. Und zum Sperren der Straße sei ein Hausbesitzer nicht befugt – „sonst müssten bei Tauwetter fast alle Münchner Straßen gesperrt werden“. Gerade im Winter müsse sich jedermann der Gefahren bewusst sein: „Primär ist also jeder für sich selbst verantwortlich, ab und an realisiert sich eben das allgemeine Lebensrisiko“, meinte der Richter (Az.: 163C17639/01).
Gefährlicher Ausrutscher
Dieser Schlusssatz hätte auch zu einem anderen Urteil des Münchner Amtsgerichts gepasst, in dem es um einen verunglückten Fußgänger ging. Der Mann hatte vormittags an einem Dezembertag sein Auto auf dem Parkplatz eines Supermarktes abgestellt. Im Bereich der Ein- und Ausfahrt, die leicht abschüssig war, rutschte er aus und brach sich den linken Unterschenkel. Er musste operiert werden und war längere Zeit arbeitsunfähig. Anschließend verklagte er den Supermarkt auf rund 4300 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Der Richter stellte zunächst durch Anhörung mehrerer Zeugen fest, dass der Hausmeister den Parkplatz stets zuverlässig geräumt und gestreut hatte, an diesem Tag wohl auch. In der Verhandlung räumte dann – versehentlich – die Frau des Klägers im Rahmen ihrer Zeugenaussage ein, dass ihr Mann gar nicht in den Lebensmittelmarkt gehen, sondern ein Geschäft in der Nachbarschaft besuchen wollte. Damit war der Fall für den Richter schlagartig erledigt: Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, das derartige Parkplätze den Kunden vorbehalten seien. Das Landgericht MünchenI bestätigte sein Urteil (Az.: 15S5365/00).
Quelle: sueddeutsche.de