Gast
Hallo,
für ältete Mieter gibt es die Sozialklausel:
Wann greift die Sozialklausel?
Auf die Sozialklausel können sich Mieter berufen, denen durch die Kündigung eine schwere soziale Härte zugefügt würde. Wie das Gesetz in § 574 Abs. 2 BGB sagt, trifft dies dann zu, wenn angemessener Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Bei der Prüfung dieses Sachverhalts wird das Gericht auch die finanzielle Situation des Mieters in Betracht ziehen. Eine allein erziehende Sozialhilfeempfängerin, die nur wenig Miete bezahlt, kann höchstwahrscheinlich die Sozialklausel für sich in Anspruch nehmen. Weitere Gründe sind: das hohe Alter der Mieter, Gebrechlichkeit, Krankheit, Invalidität, Schwangerschaft, ein bevorstehendes Examen, viele Kinder, geringes Einkommen, bevorstehender Umzug, lange Miet- und Wohndauer, besondere finanzielle Aufwendungen für die Wohnung. Diese Härtegründe können auch geltend gemacht werden, wenn sie nicht auf den Mieter selbst, sondern auf eine in seinem Haushalt lebende Person zutreffen.
Meist ältere Mieter betroffen
Die o.g. Härtegründe treffen meist auf ältere Mieter zu, die bereits ein Leben lang oder doch Jahrzehnte in derselben Wohnung leben. Oft kommen mehrere Gründe zusammen. Die Chancen auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses stehen in einem solchen Fall sehr gut. So kann es zum Beispiel sein, dass eine über 70-jährige gehbehinderte Frau nach 30 Jahren Mietverhältnis aus ihrer Erdgeschosswohnung ausziehen soll, weil der Vermieter selbst in Rente gehen möchte und deshalb Eigenbedarf anmeldet. In einem solchen Fall werden die Gerichte wohl im Sinne der Mieterin auf eine unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses entscheiden.
Interessen abwägen
Prinzipiell gilt, dass die Sozialklausel und die Kündigungsbefugnis des Vermieters gleichwertig sind. Die Gerichte sind wie immer in Mietrechtsdingen dazu verpflichtet, die Interessen von Vermieter und Mieter gegeneinander abzuwägen und zu entscheiden, welches schwerer wiegt.
Konkret kann das folgendermaßen aussehen:
Ein Vermieter kündigt seinem Mieter, weil er die Wohnung für seine Mutter benötigt, die nach vielen Jahren in den USA in die Heimat zurückkehrt. An sich ist die Kündigung rechtens. Allerdings ist der Mieter schwer herzkrank. Er kann ein ärztliches Attest vorweisen, nach dem ein Umzug aus der gewohnten Umgebung und die damit verbundene Aufregung für ihn eine Gesundheitsgefahr bedeuten würde. In diesem Fall rangiert das Recht des Mieters auf körperliche Unversehrtheit vor dem Recht des Vermieters an seinem Eigentum (LG Hamburg 13.12.1988 - 16 S 81/88; WM 89, 23 .
Die Landgerichte Düsseldorf, München I und Bonn haben außerdem in verschiedenen Urteilen darauf hingewiesen, dass der Käufer einer vermieteten Eigentumswohnung mit Schwierigkeiten rechnen muss, wenn er sie selbst nutzen möchte. Waren ihm das Alter der Mieter, ihre Gebrechlichkeit und die lange Wohndauer bekannt, hätte er sich für seine Zwecke eine andere, leer stehende Wohnung kaufen sollen (LG Düsseldorf 26.06.1990 - 24 S 77/90; WM 91, 36; LG München I 13.01.1993 - 14 S 8150/92; WM 94, 538; LG Bonn 01.02.1990 - 6 S 203/89; WM 90, 151).
Verlängerung des Mietverhältnisses per Gerichtsurteil
Hat das Gericht festgestellt, dass die Interessen des Mieters schwerer wiegen als die des Vermieters, muss es festlegen, ob das Mietverhältnis unbefristet oder befristet fortgesetzt werden soll. Gründe für eine unbefristete Fortsetzung sind beispielsweise das hohe Alter des Mieters und seine Verwurzelung in der Umgebung. Aber auch im Falle einer allein erziehenden Sozialhilfeempfängerin und gleichzeitiger angespannter Lage auf dem Wohnungsmarkt ist eine unbefristete Fortsetzung möglich. Beruft sich der Mieter jedoch auf ein anstehendes Examen oder eine Schwangerschaft, kommt nur eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses in Betracht, da sich die Situation für den Mieter in absehbarer Zeit verändern wird.
Wichtig:
Bei einer befristeten Fortsetzung des Mietverhältnisses kann der Mieter nach Ablauf der Frist noch mehrmals Einspruch gegen die Kündigung erheben und eine Verlängerung des Mietverhältnisses verlangen. Allerdings muss er dafür dann andere (neue) Gründe vorweisen können. Er muss seinen Widerspruch auf veränderte Verhältnisse stützen. So könnte es zum Beispiel sein, dass sein Argument anfangs das anstehende Examen war, später eine neu eingetretene Schwangerschaft der Ehefrau.
Selbst wenn das Gericht gegen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses entscheidet oder einer erneuten Verlängerung nicht stattgibt, hat der Mieter noch die Möglichkeit, eine Räumungsfrist oder einen Vollstreckungsschutz zu beantragen. Einem cleveren Mieter wird es gelingen, den Auszug mehrere Jahre hinauszuschieben.