Umfang eines dinglichen Wohnrechts
Leitsatz:
Ein dingliches Wohnrecht an einer Eigentumswohnung umfasst mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch die Nutzung des dazu gehörigen Tiefgaragenstellplatzes
Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg
vom 18.7.2001, Az. 4 U 1235/01
Hintergrund:
Der Kläger klagte gegen seine geschiedene Ehefrau auf Herausgabe eines Tiefgaragen-Stellplatzes. Die Beklagte verweigerte die Herausgabe, da sie sich zur Nutzung des Stellplatzes berechtigt fühlte. Ihr Besitzrecht stützte sie auf einen notariellen Vertrag, in dem ihr der Kläger schon vor langer Zeit ein dingliches Wohnrecht an der Eigentumswohnung eingeräumt hatte. So wurde es zwischen den Parteien in der Vergangenheit auch tatsächlich gehandhabt, d.h. der Kläger hatte die alleinige Nutzung durch die Beklagte viele Jahre lang hingenommen. Nunmehr stellte er sich aber auf den Standpunkt, dass das dingliche Wohnrecht nur die Nutzung der Wohnung und des im notariellen Vertrag ausdrücklich erwähnten Kellerabteils umfasse, nicht aber die Nutzung des PKW-Tiefgaragenplatzes.
Mit seiner Argumentation hatte der Kläger keinen Erfolg; das Oberlandesgericht Nürnberg wies seine Herausgabeklage als unbegründet ab.
Entscheidungsgründe
...
Die Klage ist ... unbegründet.
Die Beklagte hat gemäß § 1 analog, § ein Recht zum Besitz und zur Nutzung des Garagenstellplatzes.
Dabei kann es dahinstehen, ob im Rahmen der Einräumung des dinglichen Wohnrechts zumindest schuldrechtlich auch das Recht der unentgeltlichen Benutzung des Garagenstellplatzes zwischen den Parteien konkludent vereinbart wurde. Zwar ist es zutreffend, daß der Garagenstellplatz im notariellen Vertrag vom 30. Juni 1972 nicht eigens erwähnt wurde. Gleichwohl sieht der Senat ... hierin nicht einmal ein Indiz dafür, daß die Parteien den Garagenstellplatz gerade nicht als vom Wohnrecht umfaßt angesehen haben.
Letztlich kommt es auf diese Frage aber nicht an, weil das ausschließliche Nutzungsrecht, das an eine bestimmte Eigentumswohnung gekoppelt ist, kraft Gesetzes auf den Wohnungsrechtsinhaber mitübertragen wird (BayObLG, RPfl 98, 6
.
Der Kläger hat den Garagenstellplatz nicht zum Sondereigentum erworben, sondern am ungeteilten Gemeinschaftseigentum für den Stellplatz ein ausschließliches Sondernutzungsrecht eingeräumt erhalten (vgl. not. Angebot vom 26. Januar 1971, S. 3). Dementsprechend hat der Kläger auch keinen eigenen Kaufpreis für den Garagenstellplatz entrichtet, sondern in dem Kaufpreis für die Eigentumswohnung war lediglich ein Betrag von 4.000,00 DM für die Nutzung des PKW-Abstellplatzes - offensichtlich aus steuerrechtlichen Gründen - mit enthalten. Schon von daher läßt sich der Erwerb eines Kelleranteils ... nicht mit dem Erwerb des im Kellergeschoß befindlichen Garagenstellplatzes, der im Gemeinschaftseigentum verblieb, gleichsetzen.
Sondernutzungsrechte folgen mangels abweichender Vereinbarung dem Wohnungsrecht. Ist ein Sondernutzungsrecht einer bestimmten Wohnung zugeordnet, so ist der dinglich Wohnungsberechtigte mangels abweichender Vereinbarung berechtigt, auch diese Nutzung auszuüben (BayObLG, a.a.O.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Sondernutzung unmittelbaren Wohnzwecken dient. Auch die Benutzung von im Gemeinschaftseigentum stehenden Anlagen und Einrichtungen wie Keller, Waschküche oder Trockenboden, dienen nicht unmittelbar dem eigentlichen Wohnen, sind aber gemäß § 1 vom dinglichen Wohnungsrecht umfaßt (Palandt-Bassenge, § 1093, Rdnr. 13 m.w.N.). Dementsprechend stehen Sondernutzungsrechte am gemeinschaftlichen Eigentum, egal um welche konkreten Sondernutzungsrechte es sich dabei handelt, generell dem dinglich Wohnungsberechtigten zu.
Abweichende schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Wohnungseigentümer und dem dinglich Wohnungsberechtigten hinsichtlich der Ausübung des Sondernutzungsrechts wären möglich, sind hier jedoch ersichtlich nicht getroffen worden.
Nach alldem ist ... die Klage abzuweisen.