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VOB ganz oder gar nicht: BGH VII ZR 116

Urteil vom 19.03.1998



Die Regelung des § 16 Nr. 3 Abs. 2 bis 5 VOB/B über den Ausschluß von Nachforderungen bei vorbehaltloser Annahme einer Schlußzahlung oder einer ihr gleichstehenden Schlußzahlungserklärung verstößt auch nach der Neufassung vom 19. Juli 1990, soweit nicht die VOB/B »als Ganzes« vereinbart worden ist, gegen § 9 AGBG und ist deswegen unwirksam (im Anschluß an Senatsurteil vom 17. September 1987 - VII ZR 155/86 = BGHZ 101,357) ...



Die Klägerin verlangt vom Beklagten restlichen Werklohn. Nach dem Auftrag des Beklagten vom 4. September 1991 lagen dem Vertrag zugrunde neben dem Leistungsverzeichnis und den Ausschreibungsunterlagen in nachstehender Reihenfolge unter anderem die besonderen Vertragsbedingungen, die zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB), das Verhandlungsprotokoll vom 4. September 1991 sowie nachrangig die VOB Teil B und C. Nach Rechnungsprüfung durch den Architekten des Beklagten und Verhandlungen zwischen den Parteien hatte der Architekt unter Hinweis auf § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B erklärt, daß die Schlußzahlung verweigert werde und die Klägerin darauf hingewiesen, daß sie hiergegen rechtzeitig Vorbehalte erheben und diese begründen müsse ...



Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, daß die ab Juli 1990 neu geltende Schlußzahlungsklausel gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 bis 5 VOB/B, soweit nicht - wie vom Berufungsgericht hier richtig erkannt - die VOB/B »als Ganzes« vereinbart ist, gegen § 9 AGBG verstößt und daher unwirksam ist. Auch nach der Neuregelung führt die Schlußzahlungseinrede zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners.



1. Nach der Rechtsprechung des Senats ... ist § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B (1973) wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Die dafür maßgeblichen Gründe treffen im wesentlichen auch auf die Neuregelung zu ...



2. Die Neuregelung hat nichts daran geändert, daß eine Werklohnforderung innerhalb kurzer Zeit aus formalen Gründen undurchsetzbar wird. Sie weicht weiterhin erheblich von den Grundgedanken des dispositiven Rechts ab, daß eine Werklohnforderung durch Leistung zu tilgen ist (§ 362 Abs. 1 BGB) und daß sie der Auftragnehmer nur dann nicht mehr realisieren kann, wenn sie verjährt oder verwirkt ist.



3. Mit den Änderungen der formalen Voraussetzungen für die Ausschlußwirkung - Einführung der schriftlichen Mitteilungs- und Hinweispflicht (Abs. 2), Verlängerung der Vorbehaltsfrist auf 24 Werktage und Fristbeginn bei Zugang der Mitteilung (Abs. 5 Satz 1) - wurde nur einigen der vom Senat angeführten Umstände Rechnung getragen, die zur Unwirksamkeit der alten Fassung führten. Die Möglichkeit des Auftragnehmers, rechtzeitig einen Vorbehalt anzubringen, hat sich dadurch zwar verbessert. Auch in den danach und nach der Einschränkung des Anwendungsbereichs (Abs. 6) verbleibenden Fällen kann die Regelung aber dazu führen, daß ein Werklohnanspruch in kurzer Zeit undurchsetzbar wird, ohne daß es darauf ankommt, ob die Forderung oder die vom Auftraggeber vorgenommenen Kürzungen berechtigt sind oder ob der Auftragnehmer die Vorbehaltsfrist unverschuldet versäumt hat. Dies erscheint insbesondere im Hinblick darauf unangemessen, daß die Bestimmung nach wie vor nur einseitig zu Lasten des Auftragnehmers eine beschleunigte Klärung von Abrechnungsfragen ermöglicht. Eine den Auftragnehmer entsprechend begünstigende Regelung ist weiterhin nicht vorgesehen. Er muß die zweimonatige Frist zur Schlußrechnungsprüfung (§ 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B) hinnehmen. Außerdem kann der Auftraggeber Überzahlungen nach §§ 812 ff. BGB im Rahmen der dafür geltenden langen Verjährungsfristen zurückverlangen, auch nach Leistung einer Schlußzahlung oder nach einer schlußzahlungsgleichen Erklärung. Endgültiger Rechtsfriede wird damit nicht erreicht. Einseitig sind auch die Begründungspflichten verteilt. Der Auftragnehmer muß seinen Vorbehalt grundsätzlich begründen, nicht dagegen der Auftraggeber die hinter der Schlußrechnung zurückbleibende Schlußzahlung. Unterbleibt eine solche Begründung, kann der Auftragnehmer nicht beurteilen, ob dem Auftraggeber Aufmaß-, Rechen- und Übertragungsfehler im Sinne des § 16 Nr. 3 Abs. 6 VOB/B unterlaufen sind. Sein Recht, die Korrektur der Schlußzahlung wegen derartiger Fehler ohne fristgerechten Vorbehalt verlangen zu können, kann er so nur erschwert durchsetzen.
Stichwörter: vii + vob + bgh + zr + ganz

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