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BGH 2002-12-18 Zum Schriftformerfordernis eines Mietvertrages mit Anlagen
BGH Urteil vom 18. Dezember 2002 Az.: XII ZR 253/01 Rechtsnorm: BGB § 566 a.F.
Werden Essentialia des Mietvertrages in Anlagen ausgelagert, auf die im Mietvertrag Bezug genommen wird, so muss zur Wahrung der Schriftform die Anlage im Mietvertrag so genau bezeichnet werden, dass eine zweifelsfreie Zuordnung möglich ist
Tatbestand:
Der Kläger macht gegenüber den Beklagten restliche Ansprüche aus einem Untermietvertrag für die Zeit von Januar 1998 bis einschließlich Juni 1999 geltend.
Die Eheleute Kurt und Wilma W. vermieteten mit schriftlichem Vertrag für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 30. September 2000 ein Ladenlokal an die Firma S. GmbH & Co. KG. Diese vermietete das Objekt mit schriftlichem Untermietvertrag vom 28. Januar 1994 an den Kläger. Ziffer 2 dieses Untermietvertrages lautet:
"Der Untermieter verpflichtet sich, sämtliche sich aus diesem Unter- Mietvertrag als Anlage beigefügten Mietvertrag zwischen den Eheleuten W. und der Firma K. S. ergebenden Verpflichtungen in eigener Verantwortung als eigene Pflichten zu übernehmen und dafür zu haften."
Der Kläger vermietete die Räumlichkeiten mit schriftlichem "Unter- Mietvertrag" vom 28. Oktober 1995 bis zum 30. September 2000 an die Beklagten weiter. Ziffer 4 dieses Vertrages lautet:
"Der Untermieter verpflichtet sich, sämtliche sich aus diesem Unter- Mietvertrag als Anlage beigefügten Mietvertrag zwischen den Eheleuten W. und der Firma K. S. ergebenden Verpflichtungen in eigener Verantwortung als eigene Pflichten zu übernehmen und dafür zu haften.
Der vorgenannte Mietvertrag zwischen den Eheleuten W. und der Firma K. S. wird insoweit integraler Bestandteil dieses Unter- Mietvertrages. Dies gilt gleichfalls für den Vertrag zwischen der Firma S. und dem Untervermieter."
Die beiden in Ziffer 4 des Vertrages vom 28. Oktober 1995 als Anlage bezeichneten Mietverträge aus den Jahren 1990 und 1994 zwischen W. und Fa. S. einerseits und Fa. S. und Kläger andererseits wurden mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Untermietvertrag nicht verbunden. Zwischen den Parteien besteht Streit, ob und wann sie den Beklagten bekannt gemacht und ausgehändigt worden sind.
Mit Schreiben vom 27. März 1997 kündigten die Beklagten unter Berufung auf mangelnde Schriftform den Vertrag mit dem Kläger zum Ablauf des nächsten möglichen Quartals, spätestens jedoch zum 30. September 1997. Der Kläger widersprach der Kündigung auf Grund der vereinbarten Vertragsdauer bis zum 30. September 2000, vermietete das Objekt jedoch mit Einverständnis der Beklagten an einen Dritten weiter.
Die Klage auf Zahlung von Miete einschließlich Nebenkosten und Auslagen in Höhe von 51.712,16 DM nebst Zinsen hat das Landgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 51.712,16 DM nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Beklagten schuldeten die vom Kläger verlangte restliche Miete, da der Untermietvertrag durch ihre ordentliche Kündigung nicht beendet worden sei. Die Befristung bis 30. September 2000 sei wirksam vereinbart, da die Schriftform des § eingehalten sei. Deshalb komme eine Kündigung nach § nicht in Betracht. Zwar müsse die Zusammengehörigkeit der Haupturkunde mit den beiden Anlagen zweifelsfrei kenntlich gemacht werden. Dazu sei aber eine körperliche Verbindung nicht nötig. Vielmehr reiche es aus, dass sich die Einheit aus anderen Umständen zweifelsfrei ergebe, etwa durch eine wechselseitige Bezugnahme in den mehreren die Gesamtregelung enthaltenden Schriftstücken. Erforderlich sei eine solche Rückverweisung in der Anlage auf die Haupturkunde jedoch nicht. Dem Schutzzweck des § werde genügt, wenn ein späterer Grundstückserwerber durch den Hinweis im Hauptvertrag auf die Existenz eines ergänzenden Schriftstückes aufmerksam gemacht werde und aufgrund von Art und Inhalt der Verweisung eine gedankliche Verbindung mit der Anlage hergestellt werden könne. Dies sei hier der Fall. Ein späterer Erwerber habe dem Vertrag sicher entnehmen können, dass sich der Inhalt der mietvertraglichen Regelung nicht allein aus ihm, sondern auch aus den darin in Bezug genommenen Anlagen ergebe. Dass die Anlagen nicht von den Parteien unterzeichnet seien, schade nicht. Es reiche aus, dass sie von den damaligen Vertragsparteien unterzeichnet seien. Für Nachtrags- und Änderungsvereinbarungen und im Falle des Mieterwechsels sei anerkannt, dass die Stammurkunde nicht von denselben Parteien unterzeichnet sein müsse wie der Nachtrag bzw. die Auswechslungsvereinbarung. Durch die Unterzeichnung des Hauptvertrages seien die in Bezug genommenen Verträge Vertragsbestandteil geworden. Ob sie bei Vertragsunterzeichnung vorgelegt worden bzw. den Beklagten bekannt gemacht worden seien, sei ohne rechtliche Bedeutung. Entscheidend sei nur, dass sie im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Hauptvertrages existent gewesen seien, was hier zwischen den Partein außer Streit stehe.
2. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § a.F. ist eine Befristung im Mietvertrag nur wirksam, wenn die Schriftform eingehalten ist. Bei Verträgen ist diese gewahrt, wenn dieselbe Urkunde von beiden Vertragsparteien unterzeichnet wird (§ ). Das bedeutet, dass alle wesentlichen vertraglichen Abreden in einer Urkunde enthalten sein müssen (Prinzip der Einheitlichkeit der Vertragsurkunde; vgl. hierzu Senatsurteil vom 24. September 1997 - XII ZR 234/95 - ZMR 1998, 12 f. = NJW 1998, 58 f.). Die Rechtsprechung hatte zunächst gefordert, dass die Einheit der Urkunde äußerlich durch Beifügung der in Bezug genommenen Urkunden zur Haupturkunde in Erscheinung treten müsse und die bloße gedankliche Verbindung, die in der Bezugnahme liege, nicht ausreiche (BGHZ 40, 255, 263). Notwendig sei in jedem Fall eine Verbindung, deren Auflösung nur durch teilweise Substanzverletzung oder Gewaltanwendung möglich sei. Mit Urteil vom 24. September 1997 (aaO 16) hat der Senat jedoch entschieden, dass die feste körperliche Verbindung der einzelnen Blätter nicht erforderlich sei, wenn sich die Einheit der Urkunde aus anderen eindeutigen Merkmalen ergebe, zu denen insbesondere fortlaufende Paginierung, fortlaufende Nummerierung der einzelnen Textabschnitte sowie ein über das jeweilige Seitenende fortlaufender Text gehörten. Diese "gedankliche" Verbindung mehrerer Blätter zu einer einheitlichen Urkunde hat der VII. Zivilsenat dahin fortgeführt, dass die Schriftform des § keine körperliche Verbindung der Urkunde mit den in Bezug genommenen Anlagen verlange, sondern auch dann gewahrt sei, wenn sich die Einheit von Urkunde und Anlagen aus der Verweisung sowie der Unterschrift der Vertragsparteien auf jedem Blatt der Anlage ergebe (Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 93/97 - NJW 1999, 1104, 1105). Der erkennende Senat hat die Einheit der Vertragsurkunde ferner in einem Fall bejaht, in dem im Hauptvertrag auf eine Anlage Bezug genommen und alle Blätter der Anlage von den Vertragsparteien paraphiert waren (Urteil vom 29. September 1999 - XII ZR 313/98 - NJW 2000, 354, 357). Er hat dabei auch ausgeführt, dass es der Eindeutigkeit der Verweisung nicht entgegenstehe, wenn ein als Anlage bezeichnetes Schriftstück keine ausdrückliche Rückverweisung auf den Mietvertrag enthalte, da es für den Schutzzweck des § ausreiche, dass ein späterer Grundstückserwerber durch die Verweisung im Hauptvertrag auf die Existenz einer Anlage hingewiesen werde. Darüber hinaus hat der Senat die Einhaltung der Schriftform für einen Nachtragsvertrag bejaht, wenn eine Nachtragsurkunde auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und zum Ausdruck kommt, es solle unter Einbeziehung der Nachträge bei dem verbleiben, was früher formgültig niedergelegt war (Senatsurteil vom 23. Februar 2000 - XII ZR 251/97 - NJW-RR 2000, 744, 745). Diese Form der Bezugnahme hat unter dem Stichwort "Auflockerungsrechtsprechung" Eingang in Rechtsprechung und Literatur gefunden (Senatsurteil vom 24. September 1997 aaO 13; Palandt/Weidenkaff BGB 60. Aufl. § 566 a.F. Rdn. 17).
b) Diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht beachtet.
aa) Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, das Oberlandesgericht sei von der Entscheidung vom 29. September 1999 (aaO) abgewichen, wonach neben der Bezugnahme im Hauptvertrag auf die Anlage zumindest eine Paraphierung der Anlagenblätter durch die Vertragsparteien erforderlich sei. In diesem Sinne kann die Senatsrechtsprechung nicht verstanden werden. Der Senat hat in dieser Entscheidung keine Mindestanforderungen für die Wahrung der Urkundeneinheit aufgestellt, insbesondere nicht zwingend eine Paraphierung gefordert, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Bezugnahme im Hauptvertrag auf eine Anlage in Verbindung mit der Paraphierung der Anlage jedenfalls zur Wahrung der Schriftform ausreicht. Auch die Formulierung "so etwa" (im Senatsurteil vom 25. Oktober 2000 - XII ZR 133/98 - NZM 2001, 43, 44) lässt den Beispielcharakter erkennen. Bei der Vielzahl denkbarer Vertragsgestaltungen lassen sich Mindestanforderungen schwer formulieren. Der Senat hat stets darauf hingewiesen, entscheidendes Kriterium müsse die zweifelsfreie Bezugnahme der Haupturkunde auf die Anlage sein (Urteil vom 25. Oktober 2000 aaO 44). Entgegen der Auffassung der Revision ist diese im vorliegenden Fall gegeben. Im Vertrag zwischen den Parteien (Unter-Untermietvertrag) wird Bezug genommen auf den Vertrag zwischen dem Kläger und der Firma S. (Untermietvertrag) und den Vertrag zwischen der Firma S. und den Eheleuten W. (Hauptmietvertrag). Vertragsgegenstand ist stets das gleiche Mietobjekt, das jeweils weitervermietet wird. Diese Form der Bezugnahme enthält eine ausreichende Identifizierung der in Bezug genommenen Verträge. Eine Paraphierung ist - über die Bezugnahme hinaus - nicht geboten, um eine zweifelsfreie Zuordnung sicherzustellen. Der Eindeutigkeit der Verweisung steht auch nicht entgegen, dass die in Bezug genommenen Verträge keine Rückverweisung auf den Vertrag zwischen den Parteien enthalten, aus ihnen also nicht zu entnehmen ist, dass sie diesen Vertrag ergänzen. Für den Schutzzweck des § a.F. reicht es nämlich aus, dass ein späterer Grundstückserwerber durch die Verweisung im Hauptvertrag auf die Existenz einer Anlage hingewiesen wird (vgl. Senatsurteil vom 29. September 1999 aaO 357).
bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die "Auflockerungsrechtsprechung" könne hier deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil die Vertragsparteien nicht identisch seien mit den Parteien der in Bezug genommenen Verträge. Entscheidend für die Frage der Einheitlichkeit der Urkunde ist nicht, dass die Vertragsparteien den früheren Vertrag, auf den Bezug genommen wird, geschlossen haben, sondern ob dieser in der Haupturkunde hinreichend konkret bezeichnet wird. So hat es, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, die Rechtsprechung für die Wahrung der Schriftform ausreichen lassen, wenn bei Eintritt eines neuen Mieters in einen Mietvertrag die Urkunde über dessen Vertragseintritt eine ausdrückliche Bezugnahme auf den ursprünglichen Mietvertrag enthält. Der Senat hat dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ausnahmen vom Erfordernis der körperlichen Verbindung mehrerer Urkunden auch dann zuzulassen sind, wenn die Haupturkunde und der Nachtrags- oder Änderungsvertrag nicht von denselben Parteien oder ihren Gesamtrechtsnachfolgern unterzeichnet wurden (Senatsbeschluss vom 17. September 1997 - XII ZR 296/95 - NJW 1998, 62 m.w.N.).
c) Die Revision rügt weiter, die Beweis- und Warnfunktion der Schriftform erfordere die Beifügung der in Bezug genommenen Anlagen. Nur so könne der vollständige Vertragsinhalt klargestellt und den Parteien der Inhalt der von ihnen beabsichtigten langfristigen Bindung vor Augen geführt werden. Auch dieser Rüge bleibt der Erfolg versagt.
§ a.F. verfolgt vor allem den Zweck, es dem Grundstückserwerber, der nach § a.F. in bestehende Mietverträge eintritt, zu erleichtern, sich über den Umfang der auf ihn übergehenden Bindungen zu unterrichten (st.Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 24. September 1997 aaO 16). Soweit § a.F. durch die Schriftform daneben auch die Beweisbarkeit langfristiger Abreden und eine gewisse Warnfunktion sicherstellen soll, sind diese Zwecke nachrangig (Senatsurteil vom 24. September 1997 aaO) und stehen der Einhaltung der Schriftform hier nicht entgegen.
Entgegen der Auffassung der Revision ist im übrigen aber auch der Warnfunktion hinreichend Rechnung getragen. Sie ist erfüllt, wenn dem Erklärenden der formbedürftige Inhalt seiner Erklärung hinreichend verdeutlicht wird (Senatsurteil vom 24. September 1997 aaO 15). Das ist hier der Fall. Im Vertrag ist klargestellt, dass der Mieter die Verpflichtung seiner Vermieter gegenüber deren Vermieter als eigene übernimmt. Diese Formulierung ist eindeutig.