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Nicht immer wenn VOB draufsteht, ist auch VOB drin



BGH Urteil vom 08.07.1999 - VII ZR 237/98



a) Eine nachträgliche rechtsgeschäftliche Einbeziehung der VOB/ B in einen Bauvertrag folgt nicht schon daraus, daß die Prozeßbevollmächtigten der Parteien die VOB/ B für anwendbar halten.

b) Eine Allgemeine Geschäftsbedingung eines Bauvertrages, die das in § 649 Satz 1 BGB geregelte freie Kündigungsrecht des Auftraggebers ausschließt, ist unwirksam.

c) Die Darlegung des Auftragnehmers zur Kalkulation seines Vertrages hat die tatsächliche Kostenentwicklung zu berücksichtigen.

d) Ob die infolge einer Kündigung nicht erbrachten Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen und dementsprechend der Auftragnehmer vom Auftraggeber Mehrwertsteuer auch für den Vergütungsteil verlangen kann, dem keine Leistungen zugrunde liegen, ist eine Frage der gemeinschaftsrechtlichen Auslegung der 6. Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EG. Damit ist gegebenenfalls der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu befassen, Art. 234 EGV (früher Art. 177).



Entscheidungsgründe:



... Das Berufungsgericht ist der Meinung ... dem Vertrag liege die VOB/ B zugrunde. Diese sei von der Klägerin gegenüber den nicht im Baugewerbe erfahrenen Beklagten zunächst nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Jedoch sei es der Klägerin als Verwenderin verwehrt, sich darauf zu berufen, weil die Parteien im Prozeß übereinstimmend von der wirksamen Einbeziehung der VOB/ B ausgegangen seien und sich die anwaltlich vertretenen Beklagten vorprozessual auf die VOB/ B berufen hätten ...



... Das Berufungsgericht geht zu Unrecht von der Anwendung des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/ B aus. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich vielmehr aus § 649 Satz 2 BGB ...



Zu Unrecht wendet das Berufungsgericht für diesen Fall § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/ B als Anspruchsgrundlage an. Die VOB/ B ist nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, weil den mit der VOB/ B nicht vertrauten Beklagten bei Vertragsschluß keine Gelegenheit gegeben worden war, in zumutbarer Weise von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen ... Es verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen Treu und Glauben, wenn sich die Klägerin darauf beruft. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben käme allenfalls dann in Betracht, wenn die konkret anwendbaren Regelungen der VOB/ B für die Beklagten günstiger wären als die gesetzlichen Regelungen, den Beklagten also durch die Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuches Rechte entzogen würden. Das hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt und ist auch nicht erkennbar. Allein der Umstand, daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten meinten, die VOB/ B sei anwendbar, führt entgegen der vom Berufungsgericht ... vertretenen Auffassung nicht zu deren Einbeziehung in den Vertrag. Die nachträgliche Einbeziehung der VOB/ B in den Vertrag ist zwar möglich. Jedoch muß ein entsprechendes Erklärungsbewußtsein der Vertragsparteien, bzw. ihrer Bevollmächtigten vorhanden sein. Das setzt die Erkenntnis voraus, daß die VOB/ B bisher nicht Vertragsbestandteil war. Das ist hier nicht festgestellt.



Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 649 Satz 2 BGB..... Richtig nimmt das Berufungsgericht an, daß dem nicht Ziff. 10 der Vertragsbedingungen entgegensteht. Diese Klausel lautet:



"Die Kündigung des Vertrages ist nur aus wichtigem Grund möglich. Ein wichtiger Grund liegt u. a. vor, wenn die Parteien ihre Verpflichtungen aus diesem Vertrag trotz Mahnung und Fristsetzung nicht erfüllen. Die Kündigung hat mit eingeschriebenem Brief zu erfolgen. "



Das benachteiligt ... den Auftraggeber unangemessen, weil die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 649 Satz 1 BGB nicht zu vereinbaren ist ... Nach § 649 Satz 1 BGB hat der Auftraggeber jederzeit das Recht, einen Werkvertrag zu kündigen. Dieser hat vorzugsweise Interesse an der Ausführung des Werkes und soll deshalb die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag für den Fall erhalten, daß das Interesse wegfällt. Diese grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers hat vor allem auch bei langfristig angelegten Werkverträgen, wie bei Bau- oder Architektenverträgen, ihre Berechtigung. Denn es können sich insbesondere bei diesen Vertragstypen nachträglich Umstände ergeben, die die ursprüngliche Entscheidung des Auftraggebers, das Werk in Auftrag zu geben, in Frage stellen. Der Auftragnehmer ist nach der Wertung des Gesetzes durch die Regelung des § 649 Satz 2 BGB ausreichend geschützt.



... Zu Unrecht vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, die Klägerin habe den Vergütungsanspruch nicht schlüssig abgerechnet.



Die Klägerin hat den Pauschalpreis unter Einbeziehung der Mehrwertsteuer zuletzt wie folgt erläutert: Vertragspreis .... DM, davon: erbrachte Leistungen ... DM (nach auf vorgelegten Rahmenverträgen basierenden Subunternehmerrechnungen, die mit Aufmaßen den Beklagten bekannt gemacht worden sind), erbrachte Architektenleistungen ... DM (nach dem vorgelegten, zugrundeliegenden Architektenvertrag), nicht erbrachte Leistungen ... DM (auf der Grundlage der Rahmenverträge, teilweise als während der Bauausführung geänderte oder entfallene Leistungen, teilweise als durch die Kündigung entfallene Leistungen im einzelnen aufgeschlüsselt), nicht erbrachte Architektenleistungen ... DM (nach dem zugrunde liegenden Architektenvertrag), ersparte Gemeinkosten ... DM, Rest .... DM.



... Unschädlich ist auch, daß in der letzten Abrechnung der entstandenen Aufwendungen keine Handelsvertreterprovision auftaucht. Die Handelsvertreterprovision ist nach der Darstellung der Klägerin nicht erspart ...



... Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Vortrag der Klägerin lasse nicht erkennen, welchen Wert das erstellte Teilwerk unter Beibehaltung des Preisniveaus des vereinbarten Pauschalpreises gehabt habe ... Auch diese Bedenken greifen nicht durch.



(1) Die Klägerin hat ihre Kalkulation ausreichend offen gelegt, um die Ersparnis in Höhe der Handwerkerkosten von ... DM, der Architektenkosten von ... DM und der Gemeinkosten von ... DM nachzuweisen. Sie hat die einzelnen Leistungen auf der Grundlage des Vertrages bewertet und unter Beibehaltung des Preisniveaus einzeln aufgeschlüsselt ... Die Klägerin war mangels ausreichender Kalkulationsunterlagen gehalten, die Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenzustellen ... Die abgerechneten Leistungen und die nicht erbrachten Leistungen sind genau benannt und die Preisermittlungsgrundlagen (Rahmenverträge mit Kosten und Massen) mitgeteilt. Insoweit unterscheidet sich der Vortrag der Klägerin von dem Vortrag, der dem Urteil des Senats vom 7. November 1996- VII ZR 82/ 95 ... zugrunde lag. In jenem Fall scheiterte die Klage daran, daß nicht nachvollziehbare Prozentsätze vorgetragen worden waren. Hier liegt der Fall anders. Die Klägerin hat konkret abgerechnet. Das Berufungsgericht unterliegt möglicherweise dem Irrtum, daß es für die Darlegung ausschließlich auf die Kalkulation der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. Das ist nicht richtig. Soweit Subunternehmerleistungen bereits erbracht sind, sind deren Preise vorzutragen. Denn nur auf diese Weise ist gewährleistet, daß der Auftragnehmer durch die Kündigung keinen Vor- oder Nachteil erlangen kann. Offen bleiben kann, ob die Klägerin die ersparten Gemeinkosten und den nicht ersparten Gewinn- und Kostenanteil ausreichend aufgegliedert hat ...



(2) Soweit die Abrechnung der Klägerin bei den nicht erbrachten Leistungen nicht differenziert zwischen solchen Leistungen, die durch Minderleistungen bei der Erstellung des Teilwerkes entstanden sind und solchen, die infolge der Kündigung nicht mehr erbracht wurden, fehlt den Bedenken des Berufungsgerichts schon eine tragfähige rechtliche Grundlage. Denn auf eine Differenzierung könnte es nur dann ankommen, wenn die geänderten Leistungen und Minderleistungen anders abzurechnen wären als die gekündigten Leistungen. Das ist nicht selbstverständlich (vgl. z. B. § 2 Nr. 4 VOB/ B) ...



Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage könnten allerdings bestehen, soweit unklar ist, ob die Klägerin Mehrwertsteuer auch für den Vergütungsteil verlangt, dem keine Leistungen zugrunde liegen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann der Auftragnehmer Mehrwertsteuer nicht verlangen, soweit er Vergütung für nicht erbrachte Leistungen geltend macht ...



Die Klägerin hat die Abrechnung mit Preisen inklusive Mehrwertsteuer vorgenommen. Sie hat keine Mehrwertsteuer auf die nicht erbrachten Handwerker- und Architektenleistungen sowie auf die ersparten Gemeinkosten berechnet. Demgegenüber ist in dem nicht weiter aufgeschlüsselten Rest von ... DM die Mehrwertsteuer von 15 % ... enthalten. Dieser Rest enthält den Gewinnanteil und sonstige Kostenfaktoren, wie z. B. allgemeine Geschäftskosten. Es ist unklar, wie die Klägerin diese Kostenfaktoren auf die erbrachten und nicht erbrachten Leistungen umgelegt hat.



... Die Klägerin erhält Gelegenheit ergänzend vorzutragen und zu prüfen, ob sie weiterhin Mehrwertsteuer auf den Vergütungsteil verlangen will, der den nicht erbrachten Leistungen zuzuordnen ist. Für diesen Fall wird das Berufungsgericht eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 EGV (früher Art. 177) zu erwägen haben. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht sich der Auffassung des Senats anschließt, nach der auf die nicht erbrachten Leistungen keine Umsatzsteuer erhoben werden darf. Den anwendbaren Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes ... liegen die entsprechenden Regelungen der 6. Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/ 388/ EWG (Abl. Nr. L 145 S. 1) zugrunde. Deren gemeinschaftsrechtliche Auslegung ist nicht eindeutig. Die Rechtsprechung des Senats ist umstritten.... Mit der Auslegung der maßgeblichen Regelungen der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie ist deshalb zur Wahrung der Rechtseinheit in der Europäischen Union der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu befassen.


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Stichwörter: draufsteht + drin + vob

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